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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Kleine. Ja, dann hätt der liebe Gott den
Vogel strafen wollen. Setzt man doch auch
Menschen ins Gefängnis. --
Frau v. Mit Recht, aber auch mit Un-
recht -- Man muß nicht für sich, sondern
auch für andere sparen. Um mehr Gutes zu
thun, kann man dingen. Gottes Ge-
schöpf -- wer kann das bezahlen? Hätt der
Jung den Vogel nicht minder laßen wollen,
wärs ein anders. -- Was wars für ein
Vogel?
Kleine. Ich hab nicht gefragt, gnädige!
Ich weiß nur, daß es ein Vogel war, und
daß er fliegen konnte. Haben Sie's mich
nicht gelehrt, man muß nicht nach dem Na-
men fragen, wenn man Gutes thut. Sie
hätten nur sehen sollen, der Vogel konnt vor
Freuden nicht recht fliegen! Er war betrun-
cken, aber der Jung mußt's mir verspre-
chen, ihn nicht mehr zu haschen. --
Frau v. W. Du hast gut hausgehalten. --
Hier ist wieder Geld. --
Kleine. Danck, gnädige Mama! Ich glaub
es war eine Nachtigal.
Das Frauenzimmer. Ich nicht. --
Kleine. Sehen Sie nur, gnädige Mutter!
Lieschen ist dem Vogel nicht gut. --

Das
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Kleine. Ja, dann haͤtt der liebe Gott den
Vogel ſtrafen wollen. Setzt man doch auch
Menſchen ins Gefaͤngnis. —
Frau v. Mit Recht, aber auch mit Un-
recht — Man muß nicht fuͤr ſich, ſondern
auch fuͤr andere ſparen. Um mehr Gutes zu
thun, kann man dingen. Gottes Ge-
ſchoͤpf — wer kann das bezahlen? Haͤtt der
Jung den Vogel nicht minder laßen wollen,
waͤrs ein anders. — Was wars fuͤr ein
Vogel?
Kleine. Ich hab nicht gefragt, gnaͤdige!
Ich weiß nur, daß es ein Vogel war, und
daß er fliegen konnte. Haben Sie’s mich
nicht gelehrt, man muß nicht nach dem Na-
men fragen, wenn man Gutes thut. Sie
haͤtten nur ſehen ſollen, der Vogel konnt vor
Freuden nicht recht fliegen! Er war betrun-
cken, aber der Jung mußt’s mir verſpre-
chen, ihn nicht mehr zu haſchen. —
Frau v. W. Du haſt gut hausgehalten. —
Hier iſt wieder Geld. —
Kleine. Danck, gnaͤdige Mama! Ich glaub
es war eine Nachtigal.
Das Frauenzimmer. Ich nicht. —
Kleine. Sehen Sie nur, gnaͤdige Mutter!
Lieschen iſt dem Vogel nicht gut. —

Das
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[453/0465] Kleine. Ja, dann haͤtt der liebe Gott den Vogel ſtrafen wollen. Setzt man doch auch Menſchen ins Gefaͤngnis. — Frau v. Mit Recht, aber auch mit Un- recht — Man muß nicht fuͤr ſich, ſondern auch fuͤr andere ſparen. Um mehr Gutes zu thun, kann man dingen. Gottes Ge- ſchoͤpf — wer kann das bezahlen? Haͤtt der Jung den Vogel nicht minder laßen wollen, waͤrs ein anders. — Was wars fuͤr ein Vogel? Kleine. Ich hab nicht gefragt, gnaͤdige! Ich weiß nur, daß es ein Vogel war, und daß er fliegen konnte. Haben Sie’s mich nicht gelehrt, man muß nicht nach dem Na- men fragen, wenn man Gutes thut. Sie haͤtten nur ſehen ſollen, der Vogel konnt vor Freuden nicht recht fliegen! Er war betrun- cken, aber der Jung mußt’s mir verſpre- chen, ihn nicht mehr zu haſchen. — Frau v. W. Du haſt gut hausgehalten. — Hier iſt wieder Geld. — Kleine. Danck, gnaͤdige Mama! Ich glaub es war eine Nachtigal. Das Frauenzimmer. Ich nicht. — Kleine. Sehen Sie nur, gnaͤdige Mutter! Lieschen iſt dem Vogel nicht gut. — Das F f 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/465>, abgerufen am 16.06.2024.