Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778. Kleine. Sehen Sie doch, gnädige! wie hoch der Baum ist. Der babylonische Thurm war wol weit höher? Frau v. W. Weit -- Kleine. Den hätt ich sehn mögen! Frau v. W. Ich auch! Ich. Mein Vater erklärt ihn so. Gott wolte, die Leute solten nicht zusammen blei- ben, nicht in die Höhe bauen, sondern in die Länge und die Erde benutzen, die Gott ihnen angewiesen hatte. -- Frau v. W. Ich hab' offt gedacht: da- durch, daß sich die Menschen vertheilten, ent- stand die Verschiedenheit der Sprachen. Ich. Wolte Gott! wir sprächen alle Eine. Frau v. W. Dann würden viele nicht in den Himmel wollen, so schön würd es in der Welt seyn. Kleine. Des Thurms wegen muß ich auch französisch lernen! Frau v. W. Hast du Ursach dich zu be- klagen? Kleine. Nein, gnädige! ich beklage nur Sie -- und doch könnt ich öfter herumlau- fen -- wäre der babylonische Thurm und das Französische nicht. Es
Kleine. Sehen Sie doch, gnaͤdige! wie hoch der Baum iſt. Der babyloniſche Thurm war wol weit hoͤher? Frau v. W. Weit — Kleine. Den haͤtt ich ſehn moͤgen! Frau v. W. Ich auch! Ich. Mein Vater erklaͤrt ihn ſo. Gott wolte, die Leute ſolten nicht zuſammen blei- ben, nicht in die Hoͤhe bauen, ſondern in die Laͤnge und die Erde benutzen, die Gott ihnen angewieſen hatte. — Frau v. W. Ich hab’ offt gedacht: da- durch, daß ſich die Menſchen vertheilten, ent- ſtand die Verſchiedenheit der Sprachen. Ich. Wolte Gott! wir ſpraͤchen alle Eine. Frau v. W. Dann wuͤrden viele nicht in den Himmel wollen, ſo ſchoͤn wuͤrd es in der Welt ſeyn. Kleine. Des Thurms wegen muß ich auch franzoͤſiſch lernen! Frau v. W. Haſt du Urſach dich zu be- klagen? Kleine. Nein, gnaͤdige! ich beklage nur Sie — und doch koͤnnt ich oͤfter herumlau- fen — waͤre der babyloniſche Thurm und das Franzoͤſiſche nicht. Es
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0475" n="461"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Kleine.</hi> </speaker> <p>Sehen Sie doch, gnaͤdige! wie<lb/> hoch der Baum iſt. Der babyloniſche Thurm<lb/> war wol weit hoͤher?</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Frau v. W.</hi> </speaker> <p>Weit —</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Kleine.</hi> </speaker> <p>Den haͤtt ich ſehn moͤgen!</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Frau v. W.</hi> </speaker> <p>Ich auch!</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Ich.</hi> </speaker> <p>Mein Vater erklaͤrt ihn ſo. Gott<lb/> wolte, die Leute ſolten nicht zuſammen blei-<lb/> ben, nicht in die Hoͤhe bauen, ſondern in<lb/> die Laͤnge und die Erde benutzen, die Gott<lb/> ihnen angewieſen hatte. —</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Frau v. W.</hi> </speaker> <p>Ich hab’ offt gedacht: da-<lb/> durch, daß ſich die Menſchen vertheilten, ent-<lb/> ſtand die Verſchiedenheit der Sprachen.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Ich.</hi> </speaker> <p>Wolte Gott! wir ſpraͤchen alle Eine.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Frau v. W.</hi> </speaker> <p>Dann wuͤrden viele nicht in<lb/> den Himmel wollen, ſo ſchoͤn wuͤrd es in der<lb/> Welt ſeyn.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Kleine.</hi> </speaker> <p>Des Thurms wegen muß ich<lb/> auch franzoͤſiſch lernen!</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Frau v. W.</hi> </speaker> <p>Haſt du Urſach dich zu be-<lb/> klagen?</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Kleine.</hi> </speaker> <p>Nein, gnaͤdige! ich beklage nur<lb/> Sie — und doch koͤnnt ich oͤfter herumlau-<lb/> fen — waͤre der babyloniſche Thurm und<lb/> das Franzoͤſiſche nicht.</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [461/0475]
Kleine. Sehen Sie doch, gnaͤdige! wie
hoch der Baum iſt. Der babyloniſche Thurm
war wol weit hoͤher?
Frau v. W. Weit —
Kleine. Den haͤtt ich ſehn moͤgen!
Frau v. W. Ich auch!
Ich. Mein Vater erklaͤrt ihn ſo. Gott
wolte, die Leute ſolten nicht zuſammen blei-
ben, nicht in die Hoͤhe bauen, ſondern in
die Laͤnge und die Erde benutzen, die Gott
ihnen angewieſen hatte. —
Frau v. W. Ich hab’ offt gedacht: da-
durch, daß ſich die Menſchen vertheilten, ent-
ſtand die Verſchiedenheit der Sprachen.
Ich. Wolte Gott! wir ſpraͤchen alle Eine.
Frau v. W. Dann wuͤrden viele nicht in
den Himmel wollen, ſo ſchoͤn wuͤrd es in der
Welt ſeyn.
Kleine. Des Thurms wegen muß ich
auch franzoͤſiſch lernen!
Frau v. W. Haſt du Urſach dich zu be-
klagen?
Kleine. Nein, gnaͤdige! ich beklage nur
Sie — und doch koͤnnt ich oͤfter herumlau-
fen — waͤre der babyloniſche Thurm und
das Franzoͤſiſche nicht.
Es
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |