Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778. Herr v. G. Da gingt ihr zu euren Kindern? Der Alte. Ja, Herr! und sie kamen mir entgegen. Ich habe nur eine Tochter, ich fand aber an ihrem Mann einen Sohn! Was sie hatten, hatt ich. Sie pflegten mich, obgleich ich ihnen keinen Dreyer nachlaßen konnte. Gott labe sie dafür an seinem himmlischen Freytisch, auch aus Gnad und Barmherzigkeit, wie sie's hier an mir gethan. -- Herr v. G. Und jetzo, Vater, sind sie ge- gen euch kälter? Der Alte. Nein, Herr! das nicht! aber sie sind arm worden. Das Gewitter schlug ihr Häuschen zu Grunde. Sie hatten et- was zu meinem Begräbnis abgelegt -- ich bin so ein alter Geck auf ein ehrliches Be- gräbnis, und diesen Sterbpfennig, Herr! haben sie angegriffen -- drum geh ich bet- teln. Wenn ich sterbe, sollen sie die un- vermuthete Freude haben, mein Begräbnis bestellt zu finden. Sie hätten geborgt, Herr! um mir nach meinem Tode zu Gefallen zu leben, das weiß ich; allein das wollt ich nicht. So bin ich, Herr! ein alter Mann, allein ein junger Bettler! Herr v. G. Wo wohnt ihr denn? Der
Herr v. G. Da gingt ihr zu euren Kindern? Der Alte. Ja, Herr! und ſie kamen mir entgegen. Ich habe nur eine Tochter, ich fand aber an ihrem Mann einen Sohn! Was ſie hatten, hatt ich. Sie pflegten mich, obgleich ich ihnen keinen Dreyer nachlaßen konnte. Gott labe ſie dafuͤr an ſeinem himmliſchen Freytiſch, auch aus Gnad und Barmherzigkeit, wie ſie’s hier an mir gethan. — Herr v. G. Und jetzo, Vater, ſind ſie ge- gen euch kaͤlter? Der Alte. Nein, Herr! das nicht! aber ſie ſind arm worden. Das Gewitter ſchlug ihr Haͤuschen zu Grunde. Sie hatten et- was zu meinem Begraͤbnis abgelegt — ich bin ſo ein alter Geck auf ein ehrliches Be- graͤbnis, und dieſen Sterbpfennig, Herr! haben ſie angegriffen — drum geh ich bet- teln. Wenn ich ſterbe, ſollen ſie die un- vermuthete Freude haben, mein Begraͤbnis beſtellt zu finden. Sie haͤtten geborgt, Herr! um mir nach meinem Tode zu Gefallen zu leben, das weiß ich; allein das wollt ich nicht. So bin ich, Herr! ein alter Mann, allein ein junger Bettler! Herr v. G. Wo wohnt ihr denn? Der
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Herr v. G. Da gingt ihr zu euren Kindern?
Der Alte. Ja, Herr! und ſie kamen mir
entgegen. Ich habe nur eine Tochter, ich
fand aber an ihrem Mann einen Sohn! Was
ſie hatten, hatt ich. Sie pflegten mich,
obgleich ich ihnen keinen Dreyer nachlaßen
konnte. Gott labe ſie dafuͤr an ſeinem
himmliſchen Freytiſch, auch aus Gnad und
Barmherzigkeit, wie ſie’s hier an mir
gethan. —
Herr v. G. Und jetzo, Vater, ſind ſie ge-
gen euch kaͤlter?
Der Alte. Nein, Herr! das nicht! aber
ſie ſind arm worden. Das Gewitter ſchlug
ihr Haͤuschen zu Grunde. Sie hatten et-
was zu meinem Begraͤbnis abgelegt — ich
bin ſo ein alter Geck auf ein ehrliches Be-
graͤbnis, und dieſen Sterbpfennig, Herr!
haben ſie angegriffen — drum geh ich bet-
teln. Wenn ich ſterbe, ſollen ſie die un-
vermuthete Freude haben, mein Begraͤbnis
beſtellt zu finden. Sie haͤtten geborgt, Herr!
um mir nach meinem Tode zu Gefallen zu
leben, das weiß ich; allein das wollt ich
nicht. So bin ich, Herr! ein alter Mann,
allein ein junger Bettler!
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