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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Sohn des alten Herrn hervor. Sowol von
Vater als Sohn wird sogleich gehandelt wer-
den. Meine Mutter ermahnete mich so oft
ich gerungen hatte, und fügete hinzu, daß
jedes Haar auf meinem Haupte gezählet sei.

Ich arbeitete beständig; allein ich wußte
es nicht, ich hätte eben so gut glauben kön-
nen daß ich beständig spielte. Mein Vater
konnte sich über nichts so sehr ärgern, als
daß über der Seele der Leib vergessen würde,
und daß man das eine bei Hochwohlgebornen
Kindern lernen und das andere spielen hieße.
Es ist alles Spiel oder alles Arbeit pflegt er
zu sagen. Die Unvermögenheiten des Leibes
hielt er alle für ansteckend in Absicht der Seele.
Cs ist ein schlechter Wirth sagt' er der sein
Zimmer mit Seide ausschlägt und von oben
einregnen läßt. Vom Kleide auf den Mann
setzte er hinzu vom Hause auf den Herrn,
vom Leibe auf die Seele schließen, ist kein
unrichtiger Schluß. Wenn man seinen Kör-
per den man siehet vernachläßiget, wie will
man an seine Seele denken die man nicht
siehet. Mark machts aus sezte er, um sich
zu erklären hinzu, nicht Länge und Breite
Dicke und Höhe. Ein jeder Erfinder ist we-
nigstens an dem Tage da er erfand ein Mann

gewe-

Sohn des alten Herrn hervor. Sowol von
Vater als Sohn wird ſogleich gehandelt wer-
den. Meine Mutter ermahnete mich ſo oft
ich gerungen hatte, und fuͤgete hinzu, daß
jedes Haar auf meinem Haupte gezaͤhlet ſei.

Ich arbeitete beſtaͤndig; allein ich wußte
es nicht, ich haͤtte eben ſo gut glauben koͤn-
nen daß ich beſtaͤndig ſpielte. Mein Vater
konnte ſich uͤber nichts ſo ſehr aͤrgern, als
daß uͤber der Seele der Leib vergeſſen wuͤrde,
und daß man das eine bei Hochwohlgebornen
Kindern lernen und das andere ſpielen hieße.
Es iſt alles Spiel oder alles Arbeit pflegt er
zu ſagen. Die Unvermoͤgenheiten des Leibes
hielt er alle fuͤr anſteckend in Abſicht der Seele.
Cs iſt ein ſchlechter Wirth ſagt’ er der ſein
Zimmer mit Seide ausſchlaͤgt und von oben
einregnen laͤßt. Vom Kleide auf den Mann
ſetzte er hinzu vom Hauſe auf den Herrn,
vom Leibe auf die Seele ſchließen, iſt kein
unrichtiger Schluß. Wenn man ſeinen Koͤr-
per den man ſiehet vernachlaͤßiget, wie will
man an ſeine Seele denken die man nicht
ſiehet. Mark machts aus ſezte er, um ſich
zu erklaͤren hinzu, nicht Laͤnge und Breite
Dicke und Hoͤhe. Ein jeder Erfinder iſt we-
nigſtens an dem Tage da er erfand ein Mann

gewe-
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[61/0069] Sohn des alten Herrn hervor. Sowol von Vater als Sohn wird ſogleich gehandelt wer- den. Meine Mutter ermahnete mich ſo oft ich gerungen hatte, und fuͤgete hinzu, daß jedes Haar auf meinem Haupte gezaͤhlet ſei. Ich arbeitete beſtaͤndig; allein ich wußte es nicht, ich haͤtte eben ſo gut glauben koͤn- nen daß ich beſtaͤndig ſpielte. Mein Vater konnte ſich uͤber nichts ſo ſehr aͤrgern, als daß uͤber der Seele der Leib vergeſſen wuͤrde, und daß man das eine bei Hochwohlgebornen Kindern lernen und das andere ſpielen hieße. Es iſt alles Spiel oder alles Arbeit pflegt er zu ſagen. Die Unvermoͤgenheiten des Leibes hielt er alle fuͤr anſteckend in Abſicht der Seele. Cs iſt ein ſchlechter Wirth ſagt’ er der ſein Zimmer mit Seide ausſchlaͤgt und von oben einregnen laͤßt. Vom Kleide auf den Mann ſetzte er hinzu vom Hauſe auf den Herrn, vom Leibe auf die Seele ſchließen, iſt kein unrichtiger Schluß. Wenn man ſeinen Koͤr- per den man ſiehet vernachlaͤßiget, wie will man an ſeine Seele denken die man nicht ſiehet. Mark machts aus ſezte er, um ſich zu erklaͤren hinzu, nicht Laͤnge und Breite Dicke und Hoͤhe. Ein jeder Erfinder iſt we- nigſtens an dem Tage da er erfand ein Mann gewe-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/69>, abgerufen am 24.11.2024.