Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

können? wo hab' ichs indessen je gesagt, daß
der alte Herr seines Namens wegen in An-
fechtung gewesen? oder daß er ihn verschwie-
gen? Ist denn alter Herr zu heißen nicht
eben so gut als Caspar und Melchior? und
ists einerley lettische Verse machen, welches
in Curland was allgemeines ist, und ein Po-
sitiv schlagen, welches selten vorkommt? --
Wenn ich ganz aufrichtig seyn soll; hast du
dich gewaltig geirret lieber Leser denn du ken-
nest den alten Herrmann nicht weiter, als
wo er von meiner Mutter überflügelt war.
Dieser Uebergrif entscheidet nichts -- und
was ist's am Ende für Kunst Physionomien
zu beurtheilen, wo der eine eine Habichts,
und der andere eine Mopsuase hat -- wo der
eine ein Verschwender und der andre ein Har-
pagon ist. Sieh aber leibliche Brüder, sieh
Natur und Staatsbrüder -- findst du noch
Bedenklichkeiten; bist du ein Recensent und
da verlohnts nicht zu streiten, daß du nur
nicht hingegeben im verkehrten Sinn, zn
schreiben was nicht taugt, mir, um dein vor-
geschriebenes Recensionsmaaß voll zu machen,
ein gegebenes Acrgernis andichtest -- Ich
verfluche jedes Wort das der Religion und
ihrer Mutter der Tugend nachtheilig seyn

könn-

koͤnnen? wo hab’ ichs indeſſen je geſagt, daß
der alte Herr ſeines Namens wegen in An-
fechtung geweſen? oder daß er ihn verſchwie-
gen? Iſt denn alter Herr zu heißen nicht
eben ſo gut als Caſpar und Melchior? und
iſts einerley lettiſche Verſe machen, welches
in Curland was allgemeines iſt, und ein Po-
ſitiv ſchlagen, welches ſelten vorkommt? —
Wenn ich ganz aufrichtig ſeyn ſoll; haſt du
dich gewaltig geirret lieber Leſer denn du ken-
neſt den alten Herrmann nicht weiter, als
wo er von meiner Mutter uͤberfluͤgelt war.
Dieſer Uebergrif entſcheidet nichts — und
was iſt’s am Ende fuͤr Kunſt Phyſionomien
zu beurtheilen, wo der eine eine Habichts,
und der andere eine Mopsuaſe hat — wo der
eine ein Verſchwender und der andre ein Har-
pagon iſt. Sieh aber leibliche Bruͤder, ſieh
Natur und Staatsbruͤder — findſt du noch
Bedenklichkeiten; biſt du ein Recenſent und
da verlohnts nicht zu ſtreiten, daß du nur
nicht hingegeben im verkehrten Sinn, zn
ſchreiben was nicht taugt, mir, um dein vor-
geſchriebenes Recenſionsmaaß voll zu machen,
ein gegebenes Acrgernis andichteſt — Ich
verfluche jedes Wort das der Religion und
ihrer Mutter der Tugend nachtheilig ſeyn

koͤnn-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0098" n="90"/>
ko&#x0364;nnen? wo hab&#x2019; ichs inde&#x017F;&#x017F;en je ge&#x017F;agt, daß<lb/>
der alte Herr &#x017F;eines Namens wegen in An-<lb/>
fechtung gewe&#x017F;en? oder daß er ihn ver&#x017F;chwie-<lb/>
gen? I&#x017F;t <hi rendition="#fr">denn alter Herr</hi> zu heißen nicht<lb/>
eben &#x017F;o gut <hi rendition="#fr">als Ca&#x017F;par</hi> und <hi rendition="#fr">Melchior</hi>? und<lb/>
i&#x017F;ts einerley letti&#x017F;che Ver&#x017F;e machen, welches<lb/>
in Curland was allgemeines i&#x017F;t, und ein Po-<lb/>
&#x017F;itiv &#x017F;chlagen, welches &#x017F;elten vorkommt? &#x2014;<lb/>
Wenn ich ganz aufrichtig &#x017F;eyn &#x017F;oll; ha&#x017F;t du<lb/>
dich gewaltig geirret lieber Le&#x017F;er denn du ken-<lb/>
ne&#x017F;t den alten Herrmann nicht weiter, als<lb/>
wo er von meiner Mutter u&#x0364;berflu&#x0364;gelt war.<lb/>
Die&#x017F;er Uebergrif ent&#x017F;cheidet nichts &#x2014; und<lb/>
was i&#x017F;t&#x2019;s am Ende fu&#x0364;r Kun&#x017F;t Phy&#x017F;ionomien<lb/>
zu beurtheilen, wo der eine eine Habichts,<lb/>
und der andere eine Mopsua&#x017F;e hat &#x2014; wo der<lb/>
eine ein Ver&#x017F;chwender und der andre ein Har-<lb/>
pagon i&#x017F;t. Sieh aber leibliche Bru&#x0364;der, &#x017F;ieh<lb/>
Natur und Staatsbru&#x0364;der &#x2014; find&#x017F;t du noch<lb/>
Bedenklichkeiten; bi&#x017F;t du ein Recen&#x017F;ent und<lb/>
da verlohnts nicht zu &#x017F;treiten, daß du nur<lb/>
nicht hingegeben im verkehrten Sinn, zn<lb/>
&#x017F;chreiben was nicht taugt, mir, um dein vor-<lb/>
ge&#x017F;chriebenes Recen&#x017F;ionsmaaß voll zu machen,<lb/>
ein gegebenes Acrgernis andichte&#x017F;t &#x2014; Ich<lb/>
verfluche jedes Wort das der Religion und<lb/>
ihrer Mutter der Tugend nachtheilig &#x017F;eyn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ko&#x0364;nn-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0098] koͤnnen? wo hab’ ichs indeſſen je geſagt, daß der alte Herr ſeines Namens wegen in An- fechtung geweſen? oder daß er ihn verſchwie- gen? Iſt denn alter Herr zu heißen nicht eben ſo gut als Caſpar und Melchior? und iſts einerley lettiſche Verſe machen, welches in Curland was allgemeines iſt, und ein Po- ſitiv ſchlagen, welches ſelten vorkommt? — Wenn ich ganz aufrichtig ſeyn ſoll; haſt du dich gewaltig geirret lieber Leſer denn du ken- neſt den alten Herrmann nicht weiter, als wo er von meiner Mutter uͤberfluͤgelt war. Dieſer Uebergrif entſcheidet nichts — und was iſt’s am Ende fuͤr Kunſt Phyſionomien zu beurtheilen, wo der eine eine Habichts, und der andere eine Mopsuaſe hat — wo der eine ein Verſchwender und der andre ein Har- pagon iſt. Sieh aber leibliche Bruͤder, ſieh Natur und Staatsbruͤder — findſt du noch Bedenklichkeiten; biſt du ein Recenſent und da verlohnts nicht zu ſtreiten, daß du nur nicht hingegeben im verkehrten Sinn, zn ſchreiben was nicht taugt, mir, um dein vor- geſchriebenes Recenſionsmaaß voll zu machen, ein gegebenes Acrgernis andichteſt — Ich verfluche jedes Wort das der Religion und ihrer Mutter der Tugend nachtheilig ſeyn koͤnn-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/98
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/98>, abgerufen am 24.11.2024.