Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Herr v. G. bemerkte, daß ihm nichts
schrecklicher, als ein ganz ruhiger Mensch
wäre. Die Ruhe der Weisen sey so sehr,
bemerkt' er, mit einer gewissen seligen Unru-
he, mit einer Sehnsucht verknüpft, daß man
sie eine selige Unruhe nennen könnte. Ruh'
ist Dekoration, wie's eine Aufrichtigkeit von
der Art giebt, eine Aufrichtigkeit, die ver-
kleideter Mord ist -- und wodurch man siche-
rer betrügt, als durch Rückhalt. --

Unsern Herrn und Meister, sagte Herr
v. G., konnte nur eine gewisse Ruhe, die
Folge von einem göttlichen Ruf, kleiden --
Seinen Aposteln kommt sie schon nicht zu --
dem Sokrates nicht -- wohl aber der Ma-
ria, des Herrn Mutter, und jedem Weibe,
die einen Sohn hat, der seiner Mutter Ehre
macht. -- Solch ein Weib hat es vollen-
det. -- Hier in der Welt sind wir in der strei-
tenden Kirche. -- Wer wird die Hände in
den Schoos legen, wer sein Auge sinken las-
sen? Ruh' ist der Anzug der Seligen, der
Vollendeten des Herrn! Von Gott kann man
sagen: er sah' an, was er gemacht hatte, und
siehe da: Es war alles sehr gut! -- -- --

Der Gang auf Vogelwild unseres Be-
kannten war sein lezter ruhiger oder verstock-

ter

Der Herr v. G. bemerkte, daß ihm nichts
ſchrecklicher, als ein ganz ruhiger Menſch
waͤre. Die Ruhe der Weiſen ſey ſo ſehr,
bemerkt’ er, mit einer gewiſſen ſeligen Unru-
he, mit einer Sehnſucht verknuͤpft, daß man
ſie eine ſelige Unruhe nennen koͤnnte. Ruh’
iſt Dekoration, wie’s eine Aufrichtigkeit von
der Art giebt, eine Aufrichtigkeit, die ver-
kleideter Mord iſt — und wodurch man ſiche-
rer betruͤgt, als durch Ruͤckhalt. —

Unſern Herrn und Meiſter, ſagte Herr
v. G., konnte nur eine gewiſſe Ruhe, die
Folge von einem goͤttlichen Ruf, kleiden —
Seinen Apoſteln kommt ſie ſchon nicht zu —
dem Sokrates nicht — wohl aber der Ma-
ria, des Herrn Mutter, und jedem Weibe,
die einen Sohn hat, der ſeiner Mutter Ehre
macht. — Solch ein Weib hat es vollen-
det. — Hier in der Welt ſind wir in der ſtrei-
tenden Kirche. — Wer wird die Haͤnde in
den Schoos legen, wer ſein Auge ſinken laſ-
ſen? Ruh’ iſt der Anzug der Seligen, der
Vollendeten des Herrn! Von Gott kann man
ſagen: er ſah’ an, was er gemacht hatte, und
ſiehe da: Es war alles ſehr gut! — — —

Der Gang auf Vogelwild unſeres Be-
kannten war ſein lezter ruhiger oder verſtock-

ter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0104" n="98"/>
        <p>Der Herr v. G. bemerkte, daß ihm nichts<lb/>
&#x017F;chrecklicher, als ein ganz ruhiger Men&#x017F;ch<lb/>
wa&#x0364;re. Die Ruhe der Wei&#x017F;en &#x017F;ey &#x017F;o &#x017F;ehr,<lb/>
bemerkt&#x2019; er, mit einer gewi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eligen Unru-<lb/>
he, mit einer Sehn&#x017F;ucht verknu&#x0364;pft, daß man<lb/>
&#x017F;ie eine &#x017F;elige Unruhe nennen ko&#x0364;nnte. Ruh&#x2019;<lb/>
i&#x017F;t Dekoration, wie&#x2019;s eine Aufrichtigkeit von<lb/>
der Art giebt, eine Aufrichtigkeit, die ver-<lb/>
kleideter Mord i&#x017F;t &#x2014; und wodurch man &#x017F;iche-<lb/>
rer betru&#x0364;gt, als durch Ru&#x0364;ckhalt. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;ern Herrn und Mei&#x017F;ter, &#x017F;agte Herr<lb/>
v. G., konnte nur eine gewi&#x017F;&#x017F;e Ruhe, die<lb/>
Folge von einem go&#x0364;ttlichen Ruf, kleiden &#x2014;<lb/>
Seinen Apo&#x017F;teln kommt &#x017F;ie &#x017F;chon nicht zu &#x2014;<lb/>
dem Sokrates nicht &#x2014; wohl aber der Ma-<lb/>
ria, des Herrn Mutter, und jedem Weibe,<lb/>
die einen Sohn hat, der &#x017F;einer Mutter Ehre<lb/>
macht. &#x2014; Solch ein Weib hat es vollen-<lb/>
det. &#x2014; Hier in der Welt &#x017F;ind wir in der &#x017F;trei-<lb/>
tenden Kirche. &#x2014; Wer wird die Ha&#x0364;nde in<lb/>
den Schoos legen, wer &#x017F;ein Auge &#x017F;inken la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en? Ruh&#x2019; i&#x017F;t der Anzug der Seligen, der<lb/>
Vollendeten des Herrn! Von Gott kann man<lb/>
&#x017F;agen: er &#x017F;ah&#x2019; an, was er gemacht hatte, und<lb/>
&#x017F;iehe da: Es war alles &#x017F;ehr gut! &#x2014; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Der Gang auf Vogelwild un&#x017F;eres Be-<lb/>
kannten war &#x017F;ein lezter ruhiger oder ver&#x017F;tock-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ter</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0104] Der Herr v. G. bemerkte, daß ihm nichts ſchrecklicher, als ein ganz ruhiger Menſch waͤre. Die Ruhe der Weiſen ſey ſo ſehr, bemerkt’ er, mit einer gewiſſen ſeligen Unru- he, mit einer Sehnſucht verknuͤpft, daß man ſie eine ſelige Unruhe nennen koͤnnte. Ruh’ iſt Dekoration, wie’s eine Aufrichtigkeit von der Art giebt, eine Aufrichtigkeit, die ver- kleideter Mord iſt — und wodurch man ſiche- rer betruͤgt, als durch Ruͤckhalt. — Unſern Herrn und Meiſter, ſagte Herr v. G., konnte nur eine gewiſſe Ruhe, die Folge von einem goͤttlichen Ruf, kleiden — Seinen Apoſteln kommt ſie ſchon nicht zu — dem Sokrates nicht — wohl aber der Ma- ria, des Herrn Mutter, und jedem Weibe, die einen Sohn hat, der ſeiner Mutter Ehre macht. — Solch ein Weib hat es vollen- det. — Hier in der Welt ſind wir in der ſtrei- tenden Kirche. — Wer wird die Haͤnde in den Schoos legen, wer ſein Auge ſinken laſ- ſen? Ruh’ iſt der Anzug der Seligen, der Vollendeten des Herrn! Von Gott kann man ſagen: er ſah’ an, was er gemacht hatte, und ſiehe da: Es war alles ſehr gut! — — — Der Gang auf Vogelwild unſeres Be- kannten war ſein lezter ruhiger oder verſtock- ter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/104
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/104>, abgerufen am 23.11.2024.