Den Abschied durchaus im Freyen! Er verfliegt eher, sagte Herr v. G. Es ward auch im Freyen Abschied genommen. Wolte Gott, fuhr Herr v. G. fort, wir könnten auch so den letzten Abschied nehmen, und im Frey- en sterben, und warum solten wir es nicht? Wo ist uns am meisten Gutes geschehen? Der Geist sucht das Freye, und wird dort nicht wohnen in einem Hause mit Men- schen Händen gemacht. Der Tod würde nur halb so schwer seyn. Wahrlich der Mensch entzieht sich zu sehr der Luft, und zieht eben dadurch Leib und Seel eine Art von Stockung zu. Ward unser Geist denn nicht, wenn er das Freye sucht, schon ent- zückt, obgleich ihn der Leib wie ein Bleyge- wicht zur Erde zog! --
Die Frau v. G. hatte noch viel auf ih- rem Herzen; indeßen empfahl sie ihrem Soh- ne das Alter zu ehren, und es macht ihr viele Mühe, die Sache endlich zu drehen, wohin sie sie wolte. Sie sagte, daß sie für einen alten Baum, für einen alten Mann, (an eine alte Frau dachte sie nicht,) und für eine alte Familie große Hochachtung hätte. --
Also
Den Abſchied durchaus im Freyen! Er verfliegt eher, ſagte Herr v. G. Es ward auch im Freyen Abſchied genommen. Wolte Gott, fuhr Herr v. G. fort, wir koͤnnten auch ſo den letzten Abſchied nehmen, und im Frey- en ſterben, und warum ſolten wir es nicht? Wo iſt uns am meiſten Gutes geſchehen? Der Geiſt ſucht das Freye, und wird dort nicht wohnen in einem Hauſe mit Men- ſchen Haͤnden gemacht. Der Tod wuͤrde nur halb ſo ſchwer ſeyn. Wahrlich der Menſch entzieht ſich zu ſehr der Luft, und zieht eben dadurch Leib und Seel eine Art von Stockung zu. Ward unſer Geiſt denn nicht, wenn er das Freye ſucht, ſchon ent- zuͤckt, obgleich ihn der Leib wie ein Bleyge- wicht zur Erde zog! —
Die Frau v. G. hatte noch viel auf ih- rem Herzen; indeßen empfahl ſie ihrem Soh- ne das Alter zu ehren, und es macht ihr viele Muͤhe, die Sache endlich zu drehen, wohin ſie ſie wolte. Sie ſagte, daß ſie fuͤr einen alten Baum, fuͤr einen alten Mann, (an eine alte Frau dachte ſie nicht,) und fuͤr eine alte Familie große Hochachtung haͤtte. —
Alſo
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Den Abſchied durchaus im Freyen! Er
verfliegt eher, ſagte Herr v. G. Es ward
auch im Freyen Abſchied genommen. Wolte
Gott, fuhr Herr v. G. fort, wir koͤnnten auch
ſo den letzten Abſchied nehmen, und im Frey-
en ſterben, und warum ſolten wir es nicht?
Wo iſt uns am meiſten Gutes geſchehen?
Der Geiſt ſucht das Freye, und wird dort
nicht wohnen in einem Hauſe mit Men-
ſchen Haͤnden gemacht. Der Tod wuͤrde
nur halb ſo ſchwer ſeyn. Wahrlich der
Menſch entzieht ſich zu ſehr der Luft, und
zieht eben dadurch Leib und Seel eine Art
von Stockung zu. Ward unſer Geiſt denn
nicht, wenn er das Freye ſucht, ſchon ent-
zuͤckt, obgleich ihn der Leib wie ein Bleyge-
wicht zur Erde zog! —
Die Frau v. G. hatte noch viel auf ih-
rem Herzen; indeßen empfahl ſie ihrem Soh-
ne das Alter zu ehren, und es macht ihr
viele Muͤhe, die Sache endlich zu drehen,
wohin ſie ſie wolte. Sie ſagte, daß ſie fuͤr
einen alten Baum, fuͤr einen alten Mann,
(an eine alte Frau dachte ſie nicht,) und
fuͤr eine alte Familie große Hochachtung
haͤtte. —
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/161>, abgerufen am 27.11.2024.
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