Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Rädern, auf allen Fall, eins aufgebunden --
du hättest ja das fünfte abbinden können. --

Der alte Herr drengte sich vor, um mich
vor aller Augen zu küßen. Ich that es, die-
ser Schwachheit unerachtet doch, und --
das ganz ehrlich, ich entzog ihm nichts. --

Grüßen Sie, sagt' ich ihm --

ich werd, erwiedert' er.

Ich. tausendmal --

Er. tausendmal --

Dieser Gruß gehörte nicht Vater, nicht
Mutter, sondern blos Minen, blos ihr, alle
tausend ihr, all ihr. -- Mir kam es vor,
daß der alte Herr es fühlte, wen es galt,
und für dieses Gefühl drückt' ich ihm die
Hand, und er schien überaus mit mir zufrie-
den zu seyn, ich sagt' ihm noch ganz leise,
tausendmal, tausendmal! --

Herr v. G. sah mich an, und sein Blick
wolt' in Beziehung auf meinen herzlichen Ab-
schied vom alten Herrn sagen: junger Mensch,
dir fehlt Erfahrung! Man siehts; sonst wür-
dest du den Herrmann so nicht herzen und
küssen, den ich nur eben körperlich zur Erde
riß, mit seiner Seele mach' ichs all' Augen-
blick so, -- der gute Herr v. G. irrte dies-

mal

Raͤdern, auf allen Fall, eins aufgebunden —
du haͤtteſt ja das fuͤnfte abbinden koͤnnen. —

Der alte Herr drengte ſich vor, um mich
vor aller Augen zu kuͤßen. Ich that es, die-
ſer Schwachheit unerachtet doch, und —
das ganz ehrlich, ich entzog ihm nichts. —

Gruͤßen Sie, ſagt’ ich ihm —

ich werd, erwiedert’ er.

Ich. tauſendmal —

Er. tauſendmal —

Dieſer Gruß gehoͤrte nicht Vater, nicht
Mutter, ſondern blos Minen, blos ihr, alle
tauſend ihr, all ihr. — Mir kam es vor,
daß der alte Herr es fuͤhlte, wen es galt,
und fuͤr dieſes Gefuͤhl druͤckt’ ich ihm die
Hand, und er ſchien uͤberaus mit mir zufrie-
den zu ſeyn, ich ſagt’ ihm noch ganz leiſe,
tauſendmal, tauſendmal! —

Herr v. G. ſah mich an, und ſein Blick
wolt’ in Beziehung auf meinen herzlichen Ab-
ſchied vom alten Herrn ſagen: junger Menſch,
dir fehlt Erfahrung! Man ſiehts; ſonſt wuͤr-
deſt du den Herrmann ſo nicht herzen und
kuͤſſen, den ich nur eben koͤrperlich zur Erde
riß, mit ſeiner Seele mach’ ichs all’ Augen-
blick ſo, — der gute Herr v. G. irrte dies-

mal
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0167" n="159"/>
Ra&#x0364;dern, auf allen Fall, eins aufgebunden &#x2014;<lb/>
du ha&#x0364;tte&#x017F;t ja das fu&#x0364;nfte abbinden ko&#x0364;nnen. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Der alte Herr drengte &#x017F;ich vor, um mich<lb/>
vor aller Augen zu ku&#x0364;ßen. Ich that es, die-<lb/>
&#x017F;er Schwachheit unerachtet doch, und &#x2014;<lb/>
das ganz ehrlich, ich entzog ihm nichts. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Gru&#x0364;ßen Sie, &#x017F;agt&#x2019; ich ihm &#x2014;</p><lb/>
          <p>ich werd, erwiedert&#x2019; er.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Ich.</hi> tau&#x017F;endmal &#x2014;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Er.</hi> tau&#x017F;endmal &#x2014;</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er Gruß geho&#x0364;rte nicht Vater, nicht<lb/>
Mutter, &#x017F;ondern blos Minen, blos ihr, alle<lb/>
tau&#x017F;end ihr, all ihr. &#x2014; Mir kam es vor,<lb/>
daß der alte Herr es fu&#x0364;hlte, wen es galt,<lb/>
und fu&#x0364;r die&#x017F;es Gefu&#x0364;hl dru&#x0364;ckt&#x2019; ich ihm die<lb/>
Hand, und er &#x017F;chien u&#x0364;beraus mit mir zufrie-<lb/>
den zu &#x017F;eyn, ich &#x017F;agt&#x2019; ihm noch ganz lei&#x017F;e,<lb/>
tau&#x017F;endmal, tau&#x017F;endmal! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Herr v. G. &#x017F;ah mich an, und &#x017F;ein Blick<lb/>
wolt&#x2019; in Beziehung auf meinen herzlichen Ab-<lb/>
&#x017F;chied vom alten Herrn &#x017F;agen: junger Men&#x017F;ch,<lb/>
dir fehlt <hi rendition="#fr">Erfahrung</hi>! Man &#x017F;iehts; &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;r-<lb/>
de&#x017F;t du den Herrmann &#x017F;o nicht herzen und<lb/>
ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, den ich nur eben ko&#x0364;rperlich zur Erde<lb/>
riß, mit &#x017F;einer Seele mach&#x2019; ichs all&#x2019; Augen-<lb/>
blick &#x017F;o, &#x2014; der gute Herr v. G. irrte dies-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mal</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0167] Raͤdern, auf allen Fall, eins aufgebunden — du haͤtteſt ja das fuͤnfte abbinden koͤnnen. — Der alte Herr drengte ſich vor, um mich vor aller Augen zu kuͤßen. Ich that es, die- ſer Schwachheit unerachtet doch, und — das ganz ehrlich, ich entzog ihm nichts. — Gruͤßen Sie, ſagt’ ich ihm — ich werd, erwiedert’ er. Ich. tauſendmal — Er. tauſendmal — Dieſer Gruß gehoͤrte nicht Vater, nicht Mutter, ſondern blos Minen, blos ihr, alle tauſend ihr, all ihr. — Mir kam es vor, daß der alte Herr es fuͤhlte, wen es galt, und fuͤr dieſes Gefuͤhl druͤckt’ ich ihm die Hand, und er ſchien uͤberaus mit mir zufrie- den zu ſeyn, ich ſagt’ ihm noch ganz leiſe, tauſendmal, tauſendmal! — Herr v. G. ſah mich an, und ſein Blick wolt’ in Beziehung auf meinen herzlichen Ab- ſchied vom alten Herrn ſagen: junger Menſch, dir fehlt Erfahrung! Man ſiehts; ſonſt wuͤr- deſt du den Herrmann ſo nicht herzen und kuͤſſen, den ich nur eben koͤrperlich zur Erde riß, mit ſeiner Seele mach’ ichs all’ Augen- blick ſo, — der gute Herr v. G. irrte dies- mal

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/167
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/167>, abgerufen am 26.11.2024.