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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Ader auf, sobald es Gelegenheit gab. Die
Ader war recht schwarz und fürchterlich auf-
gequollen zu sehen. -- Seine ganze Geberde
verstelte sich, so bald dies' Ader auflief. Er
pflegte sich selbst einen Invaliden des Apolls
zu nennen, und Dank sey meiner Mutter,
die ihn, wie ich mich eben erinnre, bey die-
ser Gelegenheit einmal frug: wie's mit sei-
ner Wund' am Kopf stünde? Die Zeiten,
sagte Herrmann selbst, sind gottlob vorbey,
und dies waren Zeiten, da er Gräber schän-
dete; allein kann auch ein Mohr seine Haut
bleichen, und ein Parder ein Fleckkügelchen
benutzen? Erst mehr Fechter, jetzt mehr
Tänzer
!

Ich bin der Meynung, daß sich die
Physionomisten nie eher, als in der Miene
eines Pasquillanten, (wär' es auch ein Re-
censent,) und Mörders irren können? Da
muß ein sehr feiner Unterschied seyn! Sie
sind eines Handwerks: beyde schlagen aus
Gewinst todt -- und es kommt nur auf Um-
ständ' an. Beyde legen Händ' an uns, und
so wie es blos von der Kürze der Jahre
kommt, daß nicht jeder, dem der Strick in
den Liniamenten liegt, gehangen wird; so --

Wenn
S 4

Ader auf, ſobald es Gelegenheit gab. Die
Ader war recht ſchwarz und fuͤrchterlich auf-
gequollen zu ſehen. — Seine ganze Geberde
verſtelte ſich, ſo bald dieſ’ Ader auflief. Er
pflegte ſich ſelbſt einen Invaliden des Apolls
zu nennen, und Dank ſey meiner Mutter,
die ihn, wie ich mich eben erinnre, bey die-
ſer Gelegenheit einmal frug: wie’s mit ſei-
ner Wund’ am Kopf ſtuͤnde? Die Zeiten,
ſagte Herrmann ſelbſt, ſind gottlob vorbey,
und dies waren Zeiten, da er Graͤber ſchaͤn-
dete; allein kann auch ein Mohr ſeine Haut
bleichen, und ein Parder ein Fleckkuͤgelchen
benutzen? Erſt mehr Fechter, jetzt mehr
Taͤnzer
!

Ich bin der Meynung, daß ſich die
Phyſionomiſten nie eher, als in der Miene
eines Pasquillanten, (waͤr’ es auch ein Re-
cenſent,) und Moͤrders irren koͤnnen? Da
muß ein ſehr feiner Unterſchied ſeyn! Sie
ſind eines Handwerks: beyde ſchlagen aus
Gewinſt todt — und es kommt nur auf Um-
ſtaͤnd’ an. Beyde legen Haͤnd’ an uns, und
ſo wie es blos von der Kuͤrze der Jahre
kommt, daß nicht jeder, dem der Strick in
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[279/0287] Ader auf, ſobald es Gelegenheit gab. Die Ader war recht ſchwarz und fuͤrchterlich auf- gequollen zu ſehen. — Seine ganze Geberde verſtelte ſich, ſo bald dieſ’ Ader auflief. Er pflegte ſich ſelbſt einen Invaliden des Apolls zu nennen, und Dank ſey meiner Mutter, die ihn, wie ich mich eben erinnre, bey die- ſer Gelegenheit einmal frug: wie’s mit ſei- ner Wund’ am Kopf ſtuͤnde? Die Zeiten, ſagte Herrmann ſelbſt, ſind gottlob vorbey, und dies waren Zeiten, da er Graͤber ſchaͤn- dete; allein kann auch ein Mohr ſeine Haut bleichen, und ein Parder ein Fleckkuͤgelchen benutzen? Erſt mehr Fechter, jetzt mehr Taͤnzer! Ich bin der Meynung, daß ſich die Phyſionomiſten nie eher, als in der Miene eines Pasquillanten, (waͤr’ es auch ein Re- cenſent,) und Moͤrders irren koͤnnen? Da muß ein ſehr feiner Unterſchied ſeyn! Sie ſind eines Handwerks: beyde ſchlagen aus Gewinſt todt — und es kommt nur auf Um- ſtaͤnd’ an. Beyde legen Haͤnd’ an uns, und ſo wie es blos von der Kuͤrze der Jahre kommt, daß nicht jeder, dem der Strick in den Liniamenten liegt, gehangen wird; ſo — Wenn S 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/287>, abgerufen am 22.11.2024.