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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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hen gewesen seyn; allein es war unverzeih-
lich, daß sie sich über Gottes Gaben herüber
bogen, und die Nase rümpften. -- Sie maa-
ßen Minen hundertmal mit ihren Augen,
und hier und da hielt sich der Blick auf, als
ob er ein Plätzchen gefunden hätte, das werth
wär', ein wenig anzuhalten. Dies alles
war Minen unerträglich. Sie durfte nicht
hundertmal auf- und abblicken, um dieses
Paar völlig zu übersehen, und ihre Ueberle-
genheit zu fühlen. -- Die Wittwe Sara
that einige Fragen an sie. Womit sie sich die
Zeit vertriebe? Ob sie einen Liebhaber hätte?
Ob sie auch die Küche verstünde? Anzusehen,
setzte sie hinzu, ist es nicht. -- Ihre Hände
sind so küchenrein, als einer Dame vom Stan-
de. -- Nicht wahr, liebe Dene? -- Dene
enthielt sich aller Fragen; allein man konnt'
es deutlich bemerken, daß sie sich solche in be-
ster Form Rechtens vorbehielt. Ihre Stun-
de hatte noch nicht geschlagen. --

Das abgebohnte Clavier brachte die ho-
hen Gäste auf die Musik, und die gnädige
Sara auf die Frage: ob Minchen musikalisch
wäre? Mine beantwortete diese Frage mit
der ihr eignen Bescheidenheit. -- Obgleich
die hohen Gäste keinen Beweiß, in wie weit

sie
T 5

hen geweſen ſeyn; allein es war unverzeih-
lich, daß ſie ſich uͤber Gottes Gaben heruͤber
bogen, und die Naſe ruͤmpften. — Sie maa-
ßen Minen hundertmal mit ihren Augen,
und hier und da hielt ſich der Blick auf, als
ob er ein Plaͤtzchen gefunden haͤtte, das werth
waͤr’, ein wenig anzuhalten. Dies alles
war Minen unertraͤglich. Sie durfte nicht
hundertmal auf- und abblicken, um dieſes
Paar voͤllig zu uͤberſehen, und ihre Ueberle-
genheit zu fuͤhlen. — Die Wittwe Sara
that einige Fragen an ſie. Womit ſie ſich die
Zeit vertriebe? Ob ſie einen Liebhaber haͤtte?
Ob ſie auch die Kuͤche verſtuͤnde? Anzuſehen,
ſetzte ſie hinzu, iſt es nicht. — Ihre Haͤnde
ſind ſo kuͤchenrein, als einer Dame vom Stan-
de. — Nicht wahr, liebe Dene? — Dene
enthielt ſich aller Fragen; allein man konnt’
es deutlich bemerken, daß ſie ſich ſolche in be-
ſter Form Rechtens vorbehielt. Ihre Stun-
de hatte noch nicht geſchlagen. —

Das abgebohnte Clavier brachte die ho-
hen Gaͤſte auf die Muſik, und die gnaͤdige
Sara auf die Frage: ob Minchen muſikaliſch
waͤre? Mine beantwortete dieſe Frage mit
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[297/0305] hen geweſen ſeyn; allein es war unverzeih- lich, daß ſie ſich uͤber Gottes Gaben heruͤber bogen, und die Naſe ruͤmpften. — Sie maa- ßen Minen hundertmal mit ihren Augen, und hier und da hielt ſich der Blick auf, als ob er ein Plaͤtzchen gefunden haͤtte, das werth waͤr’, ein wenig anzuhalten. Dies alles war Minen unertraͤglich. Sie durfte nicht hundertmal auf- und abblicken, um dieſes Paar voͤllig zu uͤberſehen, und ihre Ueberle- genheit zu fuͤhlen. — Die Wittwe Sara that einige Fragen an ſie. Womit ſie ſich die Zeit vertriebe? Ob ſie einen Liebhaber haͤtte? Ob ſie auch die Kuͤche verſtuͤnde? Anzuſehen, ſetzte ſie hinzu, iſt es nicht. — Ihre Haͤnde ſind ſo kuͤchenrein, als einer Dame vom Stan- de. — Nicht wahr, liebe Dene? — Dene enthielt ſich aller Fragen; allein man konnt’ es deutlich bemerken, daß ſie ſich ſolche in be- ſter Form Rechtens vorbehielt. Ihre Stun- de hatte noch nicht geſchlagen. — Das abgebohnte Clavier brachte die ho- hen Gaͤſte auf die Muſik, und die gnaͤdige Sara auf die Frage: ob Minchen muſikaliſch waͤre? Mine beantwortete dieſe Frage mit der ihr eignen Beſcheidenheit. — Obgleich die hohen Gaͤſte keinen Beweiß, in wie weit ſie T 5

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/305>, abgerufen am 22.11.2024.