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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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"same Hitze bekommen, und diese hätte Sonn-
"tag Abend seinen Verstand völlig zerrüttet. --
"In seiner Phantasie hätt' er: rett sie! rett
"sie, die arme Schwester, gerufen. Seht
"ihr nicht Räuber? Diebe? Rett sie, rett
"sie, und dann all Augenblick: spannt an!
"spannt an! Sie kommt! spannt an! --
"und dann wieder hätt' er die Hausfrau bey
"der Hand genommen. -- Ach liebe, liebe
"Frau, was ich auf meinem Gewissen habe.
"-- Sind wir auch allein? Ihnen will ichs
"wohl entdecken -- ich kann keine Verge-
"bung der Sünden haben -- ich bin ein
"Höllenbrand! Und wissen sie warum? ich
"hab meinen Vater nicht todt geschlagen,
"und das hätt' ich sollen. -- Es sind lauter
"Flicken, liebe Jungfer, sagte der Meister,
"es kann kein Mensch ein Kleid daraus ma-
"chen. Sie sehen doch, wie er leider! ist.
"Er kennt seine eheleibliche Jungfer Schwe-
"ster nicht. --"

Mine, die wohl einsahe, wie alles die-
ses zusammenhieng, und die noch überdem
sehr leicht herausbringen konnte, daß ihr un-
glückliches Schicksal ihren Bruder so sehr an-
gegriffen, daß er in die entsetzliche Krankheit,
die einen Menschen auf eine Zeitlang aus dem

Buch

„ſame Hitze bekommen, und dieſe haͤtte Sonn-
„tag Abend ſeinen Verſtand voͤllig zerruͤttet. —
„In ſeiner Phantaſie haͤtt’ er: rett ſie! rett
„ſie, die arme Schweſter, gerufen. Seht
„ihr nicht Raͤuber? Diebe? Rett ſie, rett
„ſie, und dann all Augenblick: ſpannt an!
„ſpannt an! Sie kommt! ſpannt an! —
„und dann wieder haͤtt’ er die Hausfrau bey
„der Hand genommen. — Ach liebe, liebe
„Frau, was ich auf meinem Gewiſſen habe.
„— Sind wir auch allein? Ihnen will ichs
„wohl entdecken — ich kann keine Verge-
„bung der Suͤnden haben — ich bin ein
„Hoͤllenbrand! Und wiſſen ſie warum? ich
„hab meinen Vater nicht todt geſchlagen,
„und das haͤtt’ ich ſollen. — Es ſind lauter
„Flicken, liebe Jungfer, ſagte der Meiſter,
„es kann kein Menſch ein Kleid daraus ma-
„chen. Sie ſehen doch, wie er leider! iſt.
„Er kennt ſeine eheleibliche Jungfer Schwe-
„ſter nicht. —”

Mine, die wohl einſahe, wie alles die-
ſes zuſammenhieng, und die noch uͤberdem
ſehr leicht herausbringen konnte, daß ihr un-
gluͤckliches Schickſal ihren Bruder ſo ſehr an-
gegriffen, daß er in die entſetzliche Krankheit,
die einen Menſchen auf eine Zeitlang aus dem

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[384/0392] „ſame Hitze bekommen, und dieſe haͤtte Sonn- „tag Abend ſeinen Verſtand voͤllig zerruͤttet. — „In ſeiner Phantaſie haͤtt’ er: rett ſie! rett „ſie, die arme Schweſter, gerufen. Seht „ihr nicht Raͤuber? Diebe? Rett ſie, rett „ſie, und dann all Augenblick: ſpannt an! „ſpannt an! Sie kommt! ſpannt an! — „und dann wieder haͤtt’ er die Hausfrau bey „der Hand genommen. — Ach liebe, liebe „Frau, was ich auf meinem Gewiſſen habe. „— Sind wir auch allein? Ihnen will ichs „wohl entdecken — ich kann keine Verge- „bung der Suͤnden haben — ich bin ein „Hoͤllenbrand! Und wiſſen ſie warum? ich „hab meinen Vater nicht todt geſchlagen, „und das haͤtt’ ich ſollen. — Es ſind lauter „Flicken, liebe Jungfer, ſagte der Meiſter, „es kann kein Menſch ein Kleid daraus ma- „chen. Sie ſehen doch, wie er leider! iſt. „Er kennt ſeine eheleibliche Jungfer Schwe- „ſter nicht. —” Mine, die wohl einſahe, wie alles die- ſes zuſammenhieng, und die noch uͤberdem ſehr leicht herausbringen konnte, daß ihr un- gluͤckliches Schickſal ihren Bruder ſo ſehr an- gegriffen, daß er in die entſetzliche Krankheit, die einen Menſchen auf eine Zeitlang aus dem Buch

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/392>, abgerufen am 22.11.2024.