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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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können, oder sonst was anderes Schuld daran
gewesen, weiß Comparentin nicht anzugeben,
wohl aber daß Inkulpatin, nachdem sie frisch
und gesund angekommen, in Gegenwart des
Pfarrers, der als Testamentsvollstrecker (wie
der Selige es angeordnet) einige Vögel ins
Freye gelassen, in Ohnmacht gesunken. Der
Pfarrer erschrack nicht wenig, sie erhohlte sich
aber wieder, und der Pfarrer nahm sie zu sich.
Nach der Zeit hört' und sah man nichts von
ihr. Es hieß: "sie ist krank, sie ist immer
"krank" aber zuweilen sieht man sie am Fen-
ster, nach der Kirche zu, stehen oder sitzen.
Wer sie zurück haben will, darf nur stehen blei-
ben, weg ist sie. Es kommt zwar ein Doktor
zum Pfarrer; aber man weiß nicht, ob zu ihr?
oder zu wem anders? Seit dem sie ins Hauß
gekommen, ist alles beim Prediger wie um-
gekehrt. Man sagt sogar, es sey eine Ver-
lobung zwischen dieser Unbekannten und Gott-
bekannten, und noch Jemand vorgefallen --
wenigstens sind zwölf Personen beim Pfarrer
eingeschlossen gewesen, und heißt es, Gott
verzeih mir meine Sünden, sie hätten all' com-
municirt! Auf die Frage: ob der Pfarrer ver-
heyrathet sey? erfolgt die Antwort: er ist ver-
heyrathet, er ist auch nicht verheyrathet --

seine

koͤnnen, oder ſonſt was anderes Schuld daran
geweſen, weiß Comparentin nicht anzugeben,
wohl aber daß Inkulpatin, nachdem ſie friſch
und geſund angekommen, in Gegenwart des
Pfarrers, der als Teſtamentsvollſtrecker (wie
der Selige es angeordnet) einige Voͤgel ins
Freye gelaſſen, in Ohnmacht geſunken. Der
Pfarrer erſchrack nicht wenig, ſie erhohlte ſich
aber wieder, und der Pfarrer nahm ſie zu ſich.
Nach der Zeit hoͤrt’ und ſah man nichts von
ihr. Es hieß: „ſie iſt krank, ſie iſt immer
„krank„ aber zuweilen ſieht man ſie am Fen-
ſter, nach der Kirche zu, ſtehen oder ſitzen.
Wer ſie zuruͤck haben will, darf nur ſtehen blei-
ben, weg iſt ſie. Es kommt zwar ein Doktor
zum Pfarrer; aber man weiß nicht, ob zu ihr?
oder zu wem anders? Seit dem ſie ins Hauß
gekommen, iſt alles beim Prediger wie um-
gekehrt. Man ſagt ſogar, es ſey eine Ver-
lobung zwiſchen dieſer Unbekannten und Gott-
bekannten, und noch Jemand vorgefallen —
wenigſtens ſind zwoͤlf Perſonen beim Pfarrer
eingeſchloſſen geweſen, und heißt es, Gott
verzeih mir meine Suͤnden, ſie haͤtten all’ com-
municirt! Auf die Frage: ob der Pfarrer ver-
heyrathet ſey? erfolgt die Antwort: er iſt ver-
heyrathet, er iſt auch nicht verheyrathet —

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[480/0490] koͤnnen, oder ſonſt was anderes Schuld daran geweſen, weiß Comparentin nicht anzugeben, wohl aber daß Inkulpatin, nachdem ſie friſch und geſund angekommen, in Gegenwart des Pfarrers, der als Teſtamentsvollſtrecker (wie der Selige es angeordnet) einige Voͤgel ins Freye gelaſſen, in Ohnmacht geſunken. Der Pfarrer erſchrack nicht wenig, ſie erhohlte ſich aber wieder, und der Pfarrer nahm ſie zu ſich. Nach der Zeit hoͤrt’ und ſah man nichts von ihr. Es hieß: „ſie iſt krank, ſie iſt immer „krank„ aber zuweilen ſieht man ſie am Fen- ſter, nach der Kirche zu, ſtehen oder ſitzen. Wer ſie zuruͤck haben will, darf nur ſtehen blei- ben, weg iſt ſie. Es kommt zwar ein Doktor zum Pfarrer; aber man weiß nicht, ob zu ihr? oder zu wem anders? Seit dem ſie ins Hauß gekommen, iſt alles beim Prediger wie um- gekehrt. Man ſagt ſogar, es ſey eine Ver- lobung zwiſchen dieſer Unbekannten und Gott- bekannten, und noch Jemand vorgefallen — wenigſtens ſind zwoͤlf Perſonen beim Pfarrer eingeſchloſſen geweſen, und heißt es, Gott verzeih mir meine Suͤnden, ſie haͤtten all’ com- municirt! Auf die Frage: ob der Pfarrer ver- heyrathet ſey? erfolgt die Antwort: er iſt ver- heyrathet, er iſt auch nicht verheyrathet — ſeine

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/490>, abgerufen am 23.11.2024.