nens Lebenslauf, um dem Deputatus die curschen Papiere in einem andern Licht, und überall verborgene Schlangen, zu zeigen. Der gute Rechtsgelehrte konnte sich nicht be- ruhigen, und wenn der Prediger ihm nicht grosmüthigst die Folgen verschwiegen hätte, welche dieser Vorfall auf Minens Gesund- heitsverfassungen gehabt, er wäre nicht ge- sund aus dem Kirchenhause gekommen, wel- ches schon ohnehin in aller Form ein Lazaret war. Er aß den Mittag beym Prediger. Gretchen wollte nicht mit essen. Der Predi- ger muste es verlangen. Sie kam; allein sie konnte den Deputatus nicht ansehen. -- Die Predigerin hatte sich über alle Erwar- tung ziemlich erhohlt. Der arme Rechts- gelehrte konnte nicht essen, nicht trinken. Er war unlängst ans Collegium wegen sei- nes bekannten Diensteifers, der ein ander Ding als Dienstverstand ist, gekommen, um die Schwachen und Kranken, und zum Theil entschlafenen Mitglieder dieses Colle- giums, wieder herzustellen. -- Seine Un- bekanntschaft mit seinem Kreise trug viel zu dieser Uebereilung bey. Bey Tisch überfiel den Bußfertigen und Zerschlagenen der Ge- danke, sein Amt in die Hände der Obern zu
legen.
nens Lebenslauf, um dem Deputatus die curſchen Papiere in einem andern Licht, und uͤberall verborgene Schlangen, zu zeigen. Der gute Rechtsgelehrte konnte ſich nicht be- ruhigen, und wenn der Prediger ihm nicht grosmuͤthigſt die Folgen verſchwiegen haͤtte, welche dieſer Vorfall auf Minens Geſund- heitsverfaſſungen gehabt, er waͤre nicht ge- ſund aus dem Kirchenhauſe gekommen, wel- ches ſchon ohnehin in aller Form ein Lazaret war. Er aß den Mittag beym Prediger. Gretchen wollte nicht mit eſſen. Der Predi- ger muſte es verlangen. Sie kam; allein ſie konnte den Deputatus nicht anſehen. — Die Predigerin hatte ſich uͤber alle Erwar- tung ziemlich erhohlt. Der arme Rechts- gelehrte konnte nicht eſſen, nicht trinken. Er war unlaͤngſt ans Collegium wegen ſei- nes bekannten Dienſteifers, der ein ander Ding als Dienſtverſtand iſt, gekommen, um die Schwachen und Kranken, und zum Theil entſchlafenen Mitglieder dieſes Colle- giums, wieder herzuſtellen. — Seine Un- bekanntſchaft mit ſeinem Kreiſe trug viel zu dieſer Uebereilung bey. Bey Tiſch uͤberfiel den Bußfertigen und Zerſchlagenen der Ge- danke, ſein Amt in die Haͤnde der Obern zu
legen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0508"n="498"/>
nens Lebenslauf, um dem Deputatus die<lb/>
curſchen Papiere in einem andern Licht, und<lb/>
uͤberall verborgene Schlangen, zu zeigen.<lb/>
Der gute Rechtsgelehrte konnte ſich nicht be-<lb/>
ruhigen, und wenn der Prediger ihm nicht<lb/>
grosmuͤthigſt die Folgen verſchwiegen haͤtte,<lb/>
welche dieſer Vorfall auf Minens Geſund-<lb/>
heitsverfaſſungen gehabt, er waͤre nicht ge-<lb/>ſund aus dem Kirchenhauſe gekommen, wel-<lb/>
ches ſchon ohnehin in aller Form ein Lazaret<lb/>
war. Er aß den Mittag beym Prediger.<lb/><hirendition="#fr">Gretchen</hi> wollte nicht mit eſſen. Der Predi-<lb/>
ger muſte es verlangen. Sie kam; allein<lb/>ſie konnte den Deputatus nicht anſehen. —<lb/>
Die Predigerin hatte ſich uͤber alle Erwar-<lb/>
tung ziemlich erhohlt. Der arme Rechts-<lb/>
gelehrte konnte nicht eſſen, nicht trinken.<lb/>
Er war unlaͤngſt ans Collegium wegen ſei-<lb/>
nes bekannten <hirendition="#fr">Dienſteifers</hi>, der ein ander<lb/>
Ding als <hirendition="#fr">Dienſtverſtand</hi> iſt, gekommen,<lb/>
um die Schwachen und Kranken, und zum<lb/>
Theil entſchlafenen Mitglieder dieſes Colle-<lb/>
giums, wieder herzuſtellen. — Seine Un-<lb/>
bekanntſchaft mit ſeinem Kreiſe trug viel zu<lb/>
dieſer Uebereilung bey. Bey Tiſch uͤberfiel<lb/>
den Bußfertigen und Zerſchlagenen der Ge-<lb/>
danke, ſein Amt in die Haͤnde der Obern zu<lb/><fwplace="bottom"type="catch">legen.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[498/0508]
nens Lebenslauf, um dem Deputatus die
curſchen Papiere in einem andern Licht, und
uͤberall verborgene Schlangen, zu zeigen.
Der gute Rechtsgelehrte konnte ſich nicht be-
ruhigen, und wenn der Prediger ihm nicht
grosmuͤthigſt die Folgen verſchwiegen haͤtte,
welche dieſer Vorfall auf Minens Geſund-
heitsverfaſſungen gehabt, er waͤre nicht ge-
ſund aus dem Kirchenhauſe gekommen, wel-
ches ſchon ohnehin in aller Form ein Lazaret
war. Er aß den Mittag beym Prediger.
Gretchen wollte nicht mit eſſen. Der Predi-
ger muſte es verlangen. Sie kam; allein
ſie konnte den Deputatus nicht anſehen. —
Die Predigerin hatte ſich uͤber alle Erwar-
tung ziemlich erhohlt. Der arme Rechts-
gelehrte konnte nicht eſſen, nicht trinken.
Er war unlaͤngſt ans Collegium wegen ſei-
nes bekannten Dienſteifers, der ein ander
Ding als Dienſtverſtand iſt, gekommen,
um die Schwachen und Kranken, und zum
Theil entſchlafenen Mitglieder dieſes Colle-
giums, wieder herzuſtellen. — Seine Un-
bekanntſchaft mit ſeinem Kreiſe trug viel zu
dieſer Uebereilung bey. Bey Tiſch uͤberfiel
den Bußfertigen und Zerſchlagenen der Ge-
danke, ſein Amt in die Haͤnde der Obern zu
legen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/508>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.