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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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nens Lebenslauf, um dem Deputatus die
curschen Papiere in einem andern Licht, und
überall verborgene Schlangen, zu zeigen.
Der gute Rechtsgelehrte konnte sich nicht be-
ruhigen, und wenn der Prediger ihm nicht
grosmüthigst die Folgen verschwiegen hätte,
welche dieser Vorfall auf Minens Gesund-
heitsverfassungen gehabt, er wäre nicht ge-
sund aus dem Kirchenhause gekommen, wel-
ches schon ohnehin in aller Form ein Lazaret
war. Er aß den Mittag beym Prediger.
Gretchen wollte nicht mit essen. Der Predi-
ger muste es verlangen. Sie kam; allein
sie konnte den Deputatus nicht ansehen. --
Die Predigerin hatte sich über alle Erwar-
tung ziemlich erhohlt. Der arme Rechts-
gelehrte konnte nicht essen, nicht trinken.
Er war unlängst ans Collegium wegen sei-
nes bekannten Diensteifers, der ein ander
Ding als Dienstverstand ist, gekommen,
um die Schwachen und Kranken, und zum
Theil entschlafenen Mitglieder dieses Colle-
giums, wieder herzustellen. -- Seine Un-
bekanntschaft mit seinem Kreise trug viel zu
dieser Uebereilung bey. Bey Tisch überfiel
den Bußfertigen und Zerschlagenen der Ge-
danke, sein Amt in die Hände der Obern zu

legen.

nens Lebenslauf, um dem Deputatus die
curſchen Papiere in einem andern Licht, und
uͤberall verborgene Schlangen, zu zeigen.
Der gute Rechtsgelehrte konnte ſich nicht be-
ruhigen, und wenn der Prediger ihm nicht
grosmuͤthigſt die Folgen verſchwiegen haͤtte,
welche dieſer Vorfall auf Minens Geſund-
heitsverfaſſungen gehabt, er waͤre nicht ge-
ſund aus dem Kirchenhauſe gekommen, wel-
ches ſchon ohnehin in aller Form ein Lazaret
war. Er aß den Mittag beym Prediger.
Gretchen wollte nicht mit eſſen. Der Predi-
ger muſte es verlangen. Sie kam; allein
ſie konnte den Deputatus nicht anſehen. —
Die Predigerin hatte ſich uͤber alle Erwar-
tung ziemlich erhohlt. Der arme Rechts-
gelehrte konnte nicht eſſen, nicht trinken.
Er war unlaͤngſt ans Collegium wegen ſei-
nes bekannten Dienſteifers, der ein ander
Ding als Dienſtverſtand iſt, gekommen,
um die Schwachen und Kranken, und zum
Theil entſchlafenen Mitglieder dieſes Colle-
giums, wieder herzuſtellen. — Seine Un-
bekanntſchaft mit ſeinem Kreiſe trug viel zu
dieſer Uebereilung bey. Bey Tiſch uͤberfiel
den Bußfertigen und Zerſchlagenen der Ge-
danke, ſein Amt in die Haͤnde der Obern zu

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[498/0508] nens Lebenslauf, um dem Deputatus die curſchen Papiere in einem andern Licht, und uͤberall verborgene Schlangen, zu zeigen. Der gute Rechtsgelehrte konnte ſich nicht be- ruhigen, und wenn der Prediger ihm nicht grosmuͤthigſt die Folgen verſchwiegen haͤtte, welche dieſer Vorfall auf Minens Geſund- heitsverfaſſungen gehabt, er waͤre nicht ge- ſund aus dem Kirchenhauſe gekommen, wel- ches ſchon ohnehin in aller Form ein Lazaret war. Er aß den Mittag beym Prediger. Gretchen wollte nicht mit eſſen. Der Predi- ger muſte es verlangen. Sie kam; allein ſie konnte den Deputatus nicht anſehen. — Die Predigerin hatte ſich uͤber alle Erwar- tung ziemlich erhohlt. Der arme Rechts- gelehrte konnte nicht eſſen, nicht trinken. Er war unlaͤngſt ans Collegium wegen ſei- nes bekannten Dienſteifers, der ein ander Ding als Dienſtverſtand iſt, gekommen, um die Schwachen und Kranken, und zum Theil entſchlafenen Mitglieder dieſes Colle- giums, wieder herzuſtellen. — Seine Un- bekanntſchaft mit ſeinem Kreiſe trug viel zu dieſer Uebereilung bey. Bey Tiſch uͤberfiel den Bußfertigen und Zerſchlagenen der Ge- danke, ſein Amt in die Haͤnde der Obern zu legen.

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/508>, abgerufen am 22.11.2024.