gesehnt habe, dich noch zu sehen, weiß Gott der Herr! Der Arzt widerrieth es, und der liebe Prediger auch. Gottes heiliger Will ist geschehen. Ich hatte mich schon ziemlich er- hohlt -- nicht zum Leben -- nein, dich zu sehen, und diese Hofnung, eben diese, diese Hofnung, frischte mich zusehens auf. -- Got- tes Gedanken sind nicht unsre Gedanken, seine Wege nicht unsre. Bald hätt' ich dir wieder erzählt, was du schon weißt -- mein Kopf ist schwach, sehr schwach. -- Daß es keine Sünd' ist dich zu lieben, kann ich am besten jetzt entscheiden -- jetzt, wo über das ganze Leben entschieden wird. Es entgeht mir nicht das mindeste von allem! allem! allem! was ich von Jugend an gedacht und gethan! -- über alles hält das Gewissen Gericht! -- Ver- zeihe mir, Herr, alle meine Fehler, dein harret meine Seele! meine müde Seele. Du allein, Herr! schenkst den Beladenen Ruhe, Seelen- ruhe. Dein Joch ist sanft, deine Last ist leicht, schon hier sanft und leicht; allein noch mehr sanft und leicht, wenn man auf die Zukunft sieht. Vor Gott ist kein Lebendiger gerecht; allein glaub mir, mein Lieber! ich bin ruhig -- und ich bin der festen, festen Zuversicht, daß, der hier in mir angefangen hat das gute Werk,
es
Zweiter Th. L l
geſehnt habe, dich noch zu ſehen, weiß Gott der Herr! Der Arzt widerrieth es, und der liebe Prediger auch. Gottes heiliger Will iſt geſchehen. Ich hatte mich ſchon ziemlich er- hohlt — nicht zum Leben — nein, dich zu ſehen, und dieſe Hofnung, eben dieſe, dieſe Hofnung, friſchte mich zuſehens auf. — Got- tes Gedanken ſind nicht unſre Gedanken, ſeine Wege nicht unſre. Bald haͤtt’ ich dir wieder erzaͤhlt, was du ſchon weißt — mein Kopf iſt ſchwach, ſehr ſchwach. — Daß es keine Suͤnd’ iſt dich zu lieben, kann ich am beſten jetzt entſcheiden — jetzt, wo uͤber das ganze Leben entſchieden wird. Es entgeht mir nicht das mindeſte von allem! allem! allem! was ich von Jugend an gedacht und gethan! — uͤber alles haͤlt das Gewiſſen Gericht! — Ver- zeihe mir, Herr, alle meine Fehler, dein harret meine Seele! meine muͤde Seele. Du allein, Herr! ſchenkſt den Beladenen Ruhe, Seelen- ruhe. Dein Joch iſt ſanft, deine Laſt iſt leicht, ſchon hier ſanft und leicht; allein noch mehr ſanft und leicht, wenn man auf die Zukunft ſieht. Vor Gott iſt kein Lebendiger gerecht; allein glaub mir, mein Lieber! ich bin ruhig — und ich bin der feſten, feſten Zuverſicht, daß, der hier in mir angefangen hat das gute Werk,
es
Zweiter Th. L l
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0541"n="529"/>
geſehnt habe, dich noch zu ſehen, weiß Gott<lb/>
der Herr! Der Arzt widerrieth es, und der<lb/>
liebe Prediger auch. Gottes heiliger Will iſt<lb/>
geſchehen. Ich hatte mich ſchon ziemlich er-<lb/>
hohlt — nicht zum Leben — nein, dich zu<lb/>ſehen, und dieſe Hofnung, eben dieſe, dieſe<lb/>
Hofnung, friſchte mich zuſehens auf. — Got-<lb/>
tes Gedanken ſind nicht unſre Gedanken, ſeine<lb/>
Wege nicht unſre. Bald haͤtt’ ich dir wieder<lb/>
erzaͤhlt, was du ſchon weißt — mein Kopf<lb/>
iſt ſchwach, ſehr ſchwach. — Daß es keine<lb/>
Suͤnd’ iſt dich zu lieben, kann ich am beſten<lb/>
jetzt entſcheiden — jetzt, wo uͤber das ganze<lb/>
Leben entſchieden wird. Es entgeht mir nicht<lb/>
das mindeſte von allem! allem! allem! was<lb/>
ich von Jugend an gedacht und gethan! —<lb/>
uͤber alles haͤlt das Gewiſſen Gericht! — Ver-<lb/>
zeihe mir, Herr, alle meine Fehler, dein harret<lb/>
meine Seele! meine muͤde Seele. Du allein,<lb/>
Herr! ſchenkſt den Beladenen Ruhe, Seelen-<lb/>
ruhe. Dein Joch iſt ſanft, deine Laſt iſt leicht,<lb/>ſchon hier ſanft und leicht; allein noch mehr<lb/>ſanft und leicht, wenn man auf die Zukunft<lb/>ſieht. Vor Gott iſt kein Lebendiger gerecht;<lb/>
allein glaub mir, mein Lieber! ich bin ruhig —<lb/>
und ich bin der feſten, feſten Zuverſicht, daß,<lb/>
der hier in mir angefangen hat das gute Werk,<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Zweiter Th.</hi> L l</fw><fwplace="bottom"type="catch">es</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[529/0541]
geſehnt habe, dich noch zu ſehen, weiß Gott
der Herr! Der Arzt widerrieth es, und der
liebe Prediger auch. Gottes heiliger Will iſt
geſchehen. Ich hatte mich ſchon ziemlich er-
hohlt — nicht zum Leben — nein, dich zu
ſehen, und dieſe Hofnung, eben dieſe, dieſe
Hofnung, friſchte mich zuſehens auf. — Got-
tes Gedanken ſind nicht unſre Gedanken, ſeine
Wege nicht unſre. Bald haͤtt’ ich dir wieder
erzaͤhlt, was du ſchon weißt — mein Kopf
iſt ſchwach, ſehr ſchwach. — Daß es keine
Suͤnd’ iſt dich zu lieben, kann ich am beſten
jetzt entſcheiden — jetzt, wo uͤber das ganze
Leben entſchieden wird. Es entgeht mir nicht
das mindeſte von allem! allem! allem! was
ich von Jugend an gedacht und gethan! —
uͤber alles haͤlt das Gewiſſen Gericht! — Ver-
zeihe mir, Herr, alle meine Fehler, dein harret
meine Seele! meine muͤde Seele. Du allein,
Herr! ſchenkſt den Beladenen Ruhe, Seelen-
ruhe. Dein Joch iſt ſanft, deine Laſt iſt leicht,
ſchon hier ſanft und leicht; allein noch mehr
ſanft und leicht, wenn man auf die Zukunft
ſieht. Vor Gott iſt kein Lebendiger gerecht;
allein glaub mir, mein Lieber! ich bin ruhig —
und ich bin der feſten, feſten Zuverſicht, daß,
der hier in mir angefangen hat das gute Werk,
es
Zweiter Th. L l
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/541>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.