nicht, wie mir meine Tochter starb, die ein- zige, die mir mein Weib gleich das erste Jahr nach der Hochzeit schenkte. Das nenn' ich ein Heyrathsgut! Masche brachte nicht Geld nicht Gut; allein sie brachte mir mehr, als Geld und Gut, mehr als ein Herzogthum: reines Herz und reinen Mund, und nach weniger, als einem Jahre, ein Töchterlein -- das nenn' ich Heyrathsgut! So was kann nur der liebe Gott mitgeben. Es war ein hübsches Kind, ihr Töchterlein, mein Töchterlein, unser Töchterlein! Wahrlich un- ser Töchterlein! Man durfte sie nur sehen, halb meine Seel, halb Maschens, halb mein Leib, halb Maschens. Es war ein Drittes von uns zweyen. Als dies Mädchen geboh- ren ward, war sie weiß wie Schnee, und hatt' Aderchen wie Vergiß mein nicht; aber sie scheute nicht Gottes Wetter: so strich es sie braun an! Weiße Scherung und brauner Einschlag! Allerliebst! Geschwind wie der Wind lief Lottchen bey Sonn und Mond. Nicht Hitze nicht Kälte scheute sie. Am lieb- sten brachte sie den Leuten Essen aufs Feld, und die Leute, so hungrig sie waren, wußten nicht, ob sie essen, oder das Kind ansehen solten. Sie aßen ohn' Augen; die Augen
brauch-
nicht, wie mir meine Tochter ſtarb, die ein- zige, die mir mein Weib gleich das erſte Jahr nach der Hochzeit ſchenkte. Das nenn’ ich ein Heyrathsgut! Maſche brachte nicht Geld nicht Gut; allein ſie brachte mir mehr, als Geld und Gut, mehr als ein Herzogthum: reines Herz und reinen Mund, und nach weniger, als einem Jahre, ein Toͤchterlein — das nenn’ ich Heyrathsgut! So was kann nur der liebe Gott mitgeben. Es war ein huͤbſches Kind, ihr Toͤchterlein, mein Toͤchterlein, unſer Toͤchterlein! Wahrlich un- ſer Toͤchterlein! Man durfte ſie nur ſehen, halb meine Seel, halb Maſchens, halb mein Leib, halb Maſchens. Es war ein Drittes von uns zweyen. Als dies Maͤdchen geboh- ren ward, war ſie weiß wie Schnee, und hatt’ Aderchen wie Vergiß mein nicht; aber ſie ſcheute nicht Gottes Wetter: ſo ſtrich es ſie braun an! Weiße Scherung und brauner Einſchlag! Allerliebſt! Geſchwind wie der Wind lief Lottchen bey Sonn und Mond. Nicht Hitze nicht Kaͤlte ſcheute ſie. Am lieb- ſten brachte ſie den Leuten Eſſen aufs Feld, und die Leute, ſo hungrig ſie waren, wußten nicht, ob ſie eſſen, oder das Kind anſehen ſolten. Sie aßen ohn’ Augen; die Augen
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nicht, wie mir meine Tochter ſtarb, die ein-
zige, die mir mein Weib gleich das erſte Jahr
nach der Hochzeit ſchenkte. Das nenn’ ich
ein Heyrathsgut! Maſche brachte nicht Geld
nicht Gut; allein ſie brachte mir mehr, als
Geld und Gut, mehr als ein Herzogthum:
reines Herz und reinen Mund, und nach
weniger, als einem Jahre, ein Toͤchterlein
— das nenn’ ich Heyrathsgut! So was
kann nur der liebe Gott mitgeben. Es war
ein huͤbſches Kind, ihr Toͤchterlein, mein
Toͤchterlein, unſer Toͤchterlein! Wahrlich un-
ſer Toͤchterlein! Man durfte ſie nur ſehen,
halb meine Seel, halb Maſchens, halb mein
Leib, halb Maſchens. Es war ein Drittes
von uns zweyen. Als dies Maͤdchen geboh-
ren ward, war ſie weiß wie Schnee, und
hatt’ Aderchen wie Vergiß mein nicht; aber
ſie ſcheute nicht Gottes Wetter: ſo ſtrich es
ſie braun an! Weiße Scherung und brauner
Einſchlag! Allerliebſt! Geſchwind wie der
Wind lief Lottchen bey Sonn und Mond.
Nicht Hitze nicht Kaͤlte ſcheute ſie. Am lieb-
ſten brachte ſie den Leuten Eſſen aufs Feld,
und die Leute, ſo hungrig ſie waren, wußten
nicht, ob ſie eſſen, oder das Kind anſehen
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/576>, abgerufen am 22.11.2024.
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