wir nur bey dir sind, nur bey dir, liebes Mutterchen! wir, dein Paarchen, deine zwey kleine Töchterchen, die Treuen!
Ha! du! du! die Baumschänderin! Sprich, nein, schrey, schrey, damit der hart- hörige Wiederhall es vernehm', und der Ge- gend ausposaune. Schrey! Warum ziehest du stellenweis den Bäumen die Kleider, das Hemd' aus, und die Haut ab? Die Haut! Weiß du nicht, daß die Bäume dann in drey Jahren (wenns hoch kommt) ausgehen an der Schwindsucht -- und so langsam ster- ben, so langsam, als die Leut' an der stillen Aergerniß. Sieh her! du hast den Baum geärgert, zu Tod geärgert! und warum die Haut? Zur Farbe! Zur Farbe? Schäm dich, Baummörderin! Schäm dich von un- ten bis an den Hals, und dann ganz voll; Schäm dich so, daß du von Stund an ver- stummest! Solch ein' Entschuldigung! Ist die werth, daß sie die Gegend durchs wahr- haft ehrliche Echo erfahre? Trägt dein Vater, du Ungerathene, trägt er nicht einen weißen Schaafpelz? Der unschuldige Mann, der jeden Baum bey Haut und Hemd und Kleid
läßt
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wir nur bey dir ſind, nur bey dir, liebes Mutterchen! wir, dein Paarchen, deine zwey kleine Toͤchterchen, die Treuen!
Ha! du! du! die Baumſchaͤnderin! Sprich, nein, ſchrey, ſchrey, damit der hart- hoͤrige Wiederhall es vernehm’, und der Ge- gend auspoſaune. Schrey! Warum zieheſt du ſtellenweis den Baͤumen die Kleider, das Hemd’ aus, und die Haut ab? Die Haut! Weiß du nicht, daß die Baͤume dann in drey Jahren (wenns hoch kommt) ausgehen an der Schwindſucht — und ſo langſam ſter- ben, ſo langſam, als die Leut’ an der ſtillen Aergerniß. Sieh her! du haſt den Baum geaͤrgert, zu Tod geaͤrgert! und warum die Haut? Zur Farbe! Zur Farbe? Schaͤm dich, Baummoͤrderin! Schaͤm dich von un- ten bis an den Hals, und dann ganz voll; Schaͤm dich ſo, daß du von Stund an ver- ſtummeſt! Solch ein’ Entſchuldigung! Iſt die werth, daß ſie die Gegend durchs wahr- haft ehrliche Echo erfahre? Traͤgt dein Vater, du Ungerathene, traͤgt er nicht einen weißen Schaafpelz? Der unſchuldige Mann, der jeden Baum bey Haut und Hemd und Kleid
laͤßt
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wir nur bey dir ſind, nur bey dir, liebes
Mutterchen! wir, dein Paarchen, deine
zwey kleine Toͤchterchen, die Treuen!
Ha! du! du! die Baumſchaͤnderin!
Sprich, nein, ſchrey, ſchrey, damit der hart-
hoͤrige Wiederhall es vernehm’, und der Ge-
gend auspoſaune. Schrey! Warum zieheſt
du ſtellenweis den Baͤumen die Kleider,
das Hemd’ aus, und die Haut ab? Die
Haut! Weiß du nicht, daß die Baͤume dann in
drey Jahren (wenns hoch kommt) ausgehen
an der Schwindſucht — und ſo langſam ſter-
ben, ſo langſam, als die Leut’ an der ſtillen
Aergerniß. Sieh her! du haſt den Baum
geaͤrgert, zu Tod geaͤrgert! und warum die
Haut? Zur Farbe! Zur Farbe? Schaͤm
dich, Baummoͤrderin! Schaͤm dich von un-
ten bis an den Hals, und dann ganz voll;
Schaͤm dich ſo, daß du von Stund an ver-
ſtummeſt! Solch ein’ Entſchuldigung! Iſt
die werth, daß ſie die Gegend durchs wahr-
haft ehrliche Echo erfahre? Traͤgt dein Vater,
du Ungerathene, traͤgt er nicht einen weißen
Schaafpelz? Der unſchuldige Mann, der
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laͤßt
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/581>, abgerufen am 21.11.2024.
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