so milzige Laster, daß man gar nicht begrei- fen kann, wie man zornig und neidisch und desgleichen ist. Bey jenen ist man auf der Hochzeit und Kindstaufe, bey diesen auf Be- gräbnißen! Man nennt daher diese lezten schwarze Laster, und das von Rechts we- gen, wie's in den Urtheilen steht, das Gott erbarm!
Für solche Sorgen, wie mein College, der gewesene Balbier, sich aufbindet, bin ich zwar sicher; allein ich hab andre -- und meine neun Kinder alle mit Magen, wie Kornsäcke! -- So was will gefüllt seyn, -- Ich mag mein Aemtchen berechnen, wie ich will, über zwey hundert Gulden dresch ich nicht heraus. Wenn noch so eine Erndte ge- wesen, und ich noch so viel Leichenabdankun- gen gehalten, ist doch am Ende nicht ein Bund Stroh mehr, als zweyhundert Gul- den. Was das kostet, einen Sohn auf der Universität zu haben, das könnt ihr nicht glauben, liebe Nachbaren! Indessen ist auch Waare dafür, und wenn Gott uns leben läßt, wird er künftige Pfingsten seine erste Predigt auf unserer Canzel thun, wozu ich jung und alt hiemit zum voraus dienstlich eingeladen haben will. -- Da wird man doch
sehen,
ſo milzige Laſter, daß man gar nicht begrei- fen kann, wie man zornig und neidiſch und desgleichen iſt. Bey jenen iſt man auf der Hochzeit und Kindstaufe, bey dieſen auf Be- graͤbnißen! Man nennt daher dieſe lezten ſchwarze Laſter, und das von Rechts we- gen, wie’s in den Urtheilen ſteht, das Gott erbarm!
Fuͤr ſolche Sorgen, wie mein College, der geweſene Balbier, ſich aufbindet, bin ich zwar ſicher; allein ich hab andre — und meine neun Kinder alle mit Magen, wie Kornſaͤcke! — So was will gefuͤllt ſeyn, — Ich mag mein Aemtchen berechnen, wie ich will, uͤber zwey hundert Gulden dreſch ich nicht heraus. Wenn noch ſo eine Erndte ge- weſen, und ich noch ſo viel Leichenabdankun- gen gehalten, iſt doch am Ende nicht ein Bund Stroh mehr, als zweyhundert Gul- den. Was das koſtet, einen Sohn auf der Univerſitaͤt zu haben, das koͤnnt ihr nicht glauben, liebe Nachbaren! Indeſſen iſt auch Waare dafuͤr, und wenn Gott uns leben laͤßt, wird er kuͤnftige Pfingſten ſeine erſte Predigt auf unſerer Canzel thun, wozu ich jung und alt hiemit zum voraus dienſtlich eingeladen haben will. — Da wird man doch
ſehen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0666"n="652"/>ſo milzige Laſter, daß man gar nicht begrei-<lb/>
fen kann, wie man zornig und neidiſch und<lb/>
desgleichen iſt. Bey jenen iſt man auf der<lb/>
Hochzeit und Kindstaufe, bey dieſen auf Be-<lb/>
graͤbnißen! Man nennt daher dieſe <hirendition="#fr">lezten<lb/>ſchwarze Laſter</hi>, und das <hirendition="#fr">von Rechts we-<lb/>
gen</hi>, wie’s in den Urtheilen ſteht, das Gott<lb/>
erbarm!</p><lb/><p>Fuͤr ſolche Sorgen, wie mein College,<lb/>
der geweſene Balbier, ſich aufbindet, bin<lb/>
ich zwar ſicher; allein ich hab andre — und<lb/>
meine neun Kinder alle mit Magen, wie<lb/>
Kornſaͤcke! — So was will gefuͤllt ſeyn, —<lb/>
Ich mag mein Aemtchen berechnen, wie ich<lb/>
will, uͤber zwey hundert Gulden dreſch ich<lb/>
nicht heraus. Wenn noch ſo eine Erndte ge-<lb/>
weſen, und ich noch ſo viel Leichenabdankun-<lb/>
gen gehalten, iſt doch am Ende nicht ein<lb/>
Bund Stroh mehr, als zweyhundert Gul-<lb/>
den. Was das koſtet, einen Sohn auf der<lb/>
Univerſitaͤt zu haben, das koͤnnt ihr nicht<lb/>
glauben, liebe Nachbaren! Indeſſen iſt auch<lb/>
Waare dafuͤr, und wenn Gott uns leben<lb/>
laͤßt, wird er kuͤnftige Pfingſten ſeine erſte<lb/>
Predigt auf unſerer Canzel thun, wozu ich<lb/>
jung und alt hiemit zum voraus dienſtlich<lb/>
eingeladen haben will. — Da wird man doch<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſehen,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[652/0666]
ſo milzige Laſter, daß man gar nicht begrei-
fen kann, wie man zornig und neidiſch und
desgleichen iſt. Bey jenen iſt man auf der
Hochzeit und Kindstaufe, bey dieſen auf Be-
graͤbnißen! Man nennt daher dieſe lezten
ſchwarze Laſter, und das von Rechts we-
gen, wie’s in den Urtheilen ſteht, das Gott
erbarm!
Fuͤr ſolche Sorgen, wie mein College,
der geweſene Balbier, ſich aufbindet, bin
ich zwar ſicher; allein ich hab andre — und
meine neun Kinder alle mit Magen, wie
Kornſaͤcke! — So was will gefuͤllt ſeyn, —
Ich mag mein Aemtchen berechnen, wie ich
will, uͤber zwey hundert Gulden dreſch ich
nicht heraus. Wenn noch ſo eine Erndte ge-
weſen, und ich noch ſo viel Leichenabdankun-
gen gehalten, iſt doch am Ende nicht ein
Bund Stroh mehr, als zweyhundert Gul-
den. Was das koſtet, einen Sohn auf der
Univerſitaͤt zu haben, das koͤnnt ihr nicht
glauben, liebe Nachbaren! Indeſſen iſt auch
Waare dafuͤr, und wenn Gott uns leben
laͤßt, wird er kuͤnftige Pfingſten ſeine erſte
Predigt auf unſerer Canzel thun, wozu ich
jung und alt hiemit zum voraus dienſtlich
eingeladen haben will. — Da wird man doch
ſehen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 652. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/666>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.