Eine lange Beylage, sagte Herr v. G., nachdem er den kurzen Brief durch und durch geblickt hatte. Er las ihn nicht, er blickt' ihn auf. Die Beylage ward wörtlich ab- gelesen. Einige Stellen hatten Thränen überschwemmt, und sie schienen wie verwü- stete Wiesen, die das ausgerißene Waßer zerstöret hat.
Hier ist ein wohlgemeynter Auszug. Es war der -- -- der einzige Sohn eines Amtmanns. Seine Mutter, die Tochter eines Litteratus. Seine Eltern starben in Ketten. Der ungnädige Herr Principal hatt' ihnen Defekte gezogen, ohne sich Zeit zu nehmen, eine Probe bey seiner Rechnung zu machen.
Die Cavaliere, schreibt er, rechnen ge- meinhin mit ihren Amtleuten ohne Probe, und sind Kläger! Richter und Henker!
Unser Bekannte hatte Gelegenheit ge- habt, in seiner ersten Jugend schreiben und rechnen zu lernen, ohne daß er sich unter- stehen durfte, von dieser Kunst bey der Ver- rechnung des Herrn v. -- in Rücksicht sei- nes Vaters Gebrauch zu machen, und ihr durch eine Probe nachzuhelfen. Er entgieng mit vieler Mühe der Schuldunterthänigkeit,
konnte
Eine lange Beylage, ſagte Herr v. G., nachdem er den kurzen Brief durch und durch geblickt hatte. Er las ihn nicht, er blickt’ ihn auf. Die Beylage ward woͤrtlich ab- geleſen. Einige Stellen hatten Thraͤnen uͤberſchwemmt, und ſie ſchienen wie verwuͤ- ſtete Wieſen, die das ausgerißene Waßer zerſtoͤret hat.
Hier iſt ein wohlgemeynter Auszug. Es war der — — der einzige Sohn eines Amtmanns. Seine Mutter, die Tochter eines Litteratus. Seine Eltern ſtarben in Ketten. Der ungnaͤdige Herr Principal hatt’ ihnen Defekte gezogen, ohne ſich Zeit zu nehmen, eine Probe bey ſeiner Rechnung zu machen.
Die Cavaliere, ſchreibt er, rechnen ge- meinhin mit ihren Amtleuten ohne Probe, und ſind Klaͤger! Richter und Henker!
Unſer Bekannte hatte Gelegenheit ge- habt, in ſeiner erſten Jugend ſchreiben und rechnen zu lernen, ohne daß er ſich unter- ſtehen durfte, von dieſer Kunſt bey der Ver- rechnung des Herrn v. — in Ruͤckſicht ſei- nes Vaters Gebrauch zu machen, und ihr durch eine Probe nachzuhelfen. Er entgieng mit vieler Muͤhe der Schuldunterthaͤnigkeit,
konnte
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[86/0092]
Eine lange Beylage, ſagte Herr v. G.,
nachdem er den kurzen Brief durch und durch
geblickt hatte. Er las ihn nicht, er blickt’
ihn auf. Die Beylage ward woͤrtlich ab-
geleſen. Einige Stellen hatten Thraͤnen
uͤberſchwemmt, und ſie ſchienen wie verwuͤ-
ſtete Wieſen, die das ausgerißene Waßer
zerſtoͤret hat.
Hier iſt ein wohlgemeynter Auszug.
Es war der — — der einzige Sohn eines
Amtmanns. Seine Mutter, die Tochter
eines Litteratus. Seine Eltern ſtarben in
Ketten. Der ungnaͤdige Herr Principal
hatt’ ihnen Defekte gezogen, ohne ſich Zeit
zu nehmen, eine Probe bey ſeiner Rechnung
zu machen.
Die Cavaliere, ſchreibt er, rechnen ge-
meinhin mit ihren Amtleuten ohne Probe,
und ſind Klaͤger! Richter und Henker!
Unſer Bekannte hatte Gelegenheit ge-
habt, in ſeiner erſten Jugend ſchreiben und
rechnen zu lernen, ohne daß er ſich unter-
ſtehen durfte, von dieſer Kunſt bey der Ver-
rechnung des Herrn v. — in Ruͤckſicht ſei-
nes Vaters Gebrauch zu machen, und ihr
durch eine Probe nachzuhelfen. Er entgieng
mit vieler Muͤhe der Schuldunterthaͤnigkeit,
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/92>, abgerufen am 23.11.2024.
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