er hatt' es auch mit ihr zum Scheltwort an- gelegt. Plözlich ward aus dem Saulus ein Paulus. Liebe gute Madam! ich bedaure Sie. Freylich Sie sind unschuldig, aber Er -- ein böser Mann. Sie seufzte in die Höhe. Die Thräne blinkerte. Nach ein paar Wor- ten fieng er an, laß gut seyn! So lang ich lebe, hören Sie? so lang ich lebe, sollen Sie in meinem Hause wohnen, und sich Ostern und Michael (ein paar schöne Feste!) nicht mehr durch die Frage verderben, wo die Mie- the? frank und frey! Der Leinweber konnte die Worte frank und frey vor Bewegung nicht laut herausbringen. Er sprach sie gebrochen, das heist die meiste Zeit: herzlich. Sie wuß- te nicht, wie ihr geschahe. Die diesjährige Michaelismiethe, fuhr er fort, zum heiligen Christ für ihr jüngstes, das war Jacobchen. -- Gott! mehr konnte sie nicht, Sie wollte den Geber anfaßen und ihm danken. Man faßt gern an, wenn man dankt; allein noch ehe sie dazu kam, legte der Wohlthäter beyde Hände auf den Tisch, eine auf die andre, den Kopf langsam drauf und -- wer hätt' es denken sollen? -- starb! -- O glücklicher Leinweber! Dein Lebensfaden wie schön ist er zerrißen! Du bist lebendig gen Himmel
geholt.
er hatt’ es auch mit ihr zum Scheltwort an- gelegt. Ploͤzlich ward aus dem Saulus ein Paulus. Liebe gute Madam! ich bedaure Sie. Freylich Sie ſind unſchuldig, aber Er — ein boͤſer Mann. Sie ſeufzte in die Hoͤhe. Die Thraͤne blinkerte. Nach ein paar Wor- ten fieng er an, laß gut ſeyn! So lang ich lebe, hoͤren Sie? ſo lang ich lebe, ſollen Sie in meinem Hauſe wohnen, und ſich Oſtern und Michael (ein paar ſchoͤne Feſte!) nicht mehr durch die Frage verderben, wo die Mie- the? frank und frey! Der Leinweber konnte die Worte frank und frey vor Bewegung nicht laut herausbringen. Er ſprach ſie gebrochen, das heiſt die meiſte Zeit: herzlich. Sie wuß- te nicht, wie ihr geſchahe. Die diesjaͤhrige Michaelismiethe, fuhr er fort, zum heiligen Chriſt fuͤr ihr juͤngſtes, das war Jacobchen. — Gott! mehr konnte ſie nicht, Sie wollte den Geber anfaßen und ihm danken. Man faßt gern an, wenn man dankt; allein noch ehe ſie dazu kam, legte der Wohlthaͤter beyde Haͤnde auf den Tiſch, eine auf die andre, den Kopf langſam drauf und — wer haͤtt’ es denken ſollen? — ſtarb! — O gluͤcklicher Leinweber! Dein Lebensfaden wie ſchoͤn iſt er zerrißen! Du biſt lebendig gen Himmel
geholt.
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er hatt’ es auch mit ihr zum Scheltwort an-
gelegt. Ploͤzlich ward aus dem Saulus ein
Paulus. Liebe gute Madam! ich bedaure
Sie. Freylich Sie ſind unſchuldig, aber Er
— ein boͤſer Mann. Sie ſeufzte in die Hoͤhe.
Die Thraͤne blinkerte. Nach ein paar Wor-
ten fieng er an, laß gut ſeyn! So lang ich
lebe, hoͤren Sie? ſo lang ich lebe, ſollen Sie
in meinem Hauſe wohnen, und ſich Oſtern
und Michael (ein paar ſchoͤne Feſte!) nicht
mehr durch die Frage verderben, wo die Mie-
the? frank und frey! Der Leinweber konnte
die Worte frank und frey vor Bewegung nicht
laut herausbringen. Er ſprach ſie gebrochen,
das heiſt die meiſte Zeit: herzlich. Sie wuß-
te nicht, wie ihr geſchahe. Die diesjaͤhrige
Michaelismiethe, fuhr er fort, zum heiligen
Chriſt fuͤr ihr juͤngſtes, das war Jacobchen.
— Gott! mehr konnte ſie nicht, Sie wollte
den Geber anfaßen und ihm danken. Man
faßt gern an, wenn man dankt; allein noch
ehe ſie dazu kam, legte der Wohlthaͤter beyde
Haͤnde auf den Tiſch, eine auf die andre, den
Kopf langſam drauf und — wer haͤtt’ es
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/132>, abgerufen am 04.12.2024.
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