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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Ihn, anhört; und die Sphärenorgel; wo
auch ein Lied: Freu dich sehr, o meine
Seele, und vergiß all Angst und Quaal

gespielt wird; allein wahrlich von anderm
Innhalt, und wahrlich auch in andrer Melo-
die, als es deine Mutter singt. Wahrlich,
die Philosophie will uns in Stille bringen!
Es soll sich kein Blädchen an uns bewegen,
kein Vergnügen, kein Schmerz, soll bis zu
unsrer Seele eindringen, es sey denn der
Schmerz, der Seligkeit wirket, der Schmerz
wegen verletzter Pflicht. Nicht jeder Schmerz
ist Traurigkeit; nur alsdenn wird ers, wenn
er bis zum Gemüthe kommt. Nicht jede Ruh'
ist Fröhlichkeit; sie wird es nur, wenn wir
das Vermögen besitzen, alle Vorfälle unseres
Lebens aus dem Gesichtspunkte zu betrachten,
der uns auf irgend eine Art an dem unange-
nehmen Vorfall ein Vergnügen verschaft, eine
Sonnbeschienene Stelle zeigt. -- Wir sind
leidend bey Affekten, schickt sich das für uns?
Schickt sich, paßiv zu seyn, für Männer?
Man verachtet jeden Menschen, wenn er im
Affekt ist, Weiber weniger; denn sie sind zum
Leiden gemacht. Woher die Verachtung?
Weil die Menschheit herabgesetzt ist, und die
Thierheit auf dem Throne sitzt und tyranni-

sirt?

Ihn, anhoͤrt; und die Sphaͤrenorgel; wo
auch ein Lied: Freu dich ſehr, o meine
Seele, und vergiß all Angſt und Quaal

geſpielt wird; allein wahrlich von anderm
Innhalt, und wahrlich auch in andrer Melo-
die, als es deine Mutter ſingt. Wahrlich,
die Philoſophie will uns in Stille bringen!
Es ſoll ſich kein Blaͤdchen an uns bewegen,
kein Vergnuͤgen, kein Schmerz, ſoll bis zu
unſrer Seele eindringen, es ſey denn der
Schmerz, der Seligkeit wirket, der Schmerz
wegen verletzter Pflicht. Nicht jeder Schmerz
iſt Traurigkeit; nur alsdenn wird ers, wenn
er bis zum Gemuͤthe kommt. Nicht jede Ruh’
iſt Froͤhlichkeit; ſie wird es nur, wenn wir
das Vermoͤgen beſitzen, alle Vorfaͤlle unſeres
Lebens aus dem Geſichtspunkte zu betrachten,
der uns auf irgend eine Art an dem unange-
nehmen Vorfall ein Vergnuͤgen verſchaft, eine
Sonnbeſchienene Stelle zeigt. — Wir ſind
leidend bey Affekten, ſchickt ſich das fuͤr uns?
Schickt ſich, paßiv zu ſeyn, fuͤr Maͤnner?
Man verachtet jeden Menſchen, wenn er im
Affekt iſt, Weiber weniger; denn ſie ſind zum
Leiden gemacht. Woher die Verachtung?
Weil die Menſchheit herabgeſetzt iſt, und die
Thierheit auf dem Throne ſitzt und tyranni-

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[262/0268] Ihn, anhoͤrt; und die Sphaͤrenorgel; wo auch ein Lied: Freu dich ſehr, o meine Seele, und vergiß all Angſt und Quaal geſpielt wird; allein wahrlich von anderm Innhalt, und wahrlich auch in andrer Melo- die, als es deine Mutter ſingt. Wahrlich, die Philoſophie will uns in Stille bringen! Es ſoll ſich kein Blaͤdchen an uns bewegen, kein Vergnuͤgen, kein Schmerz, ſoll bis zu unſrer Seele eindringen, es ſey denn der Schmerz, der Seligkeit wirket, der Schmerz wegen verletzter Pflicht. Nicht jeder Schmerz iſt Traurigkeit; nur alsdenn wird ers, wenn er bis zum Gemuͤthe kommt. Nicht jede Ruh’ iſt Froͤhlichkeit; ſie wird es nur, wenn wir das Vermoͤgen beſitzen, alle Vorfaͤlle unſeres Lebens aus dem Geſichtspunkte zu betrachten, der uns auf irgend eine Art an dem unange- nehmen Vorfall ein Vergnuͤgen verſchaft, eine Sonnbeſchienene Stelle zeigt. — Wir ſind leidend bey Affekten, ſchickt ſich das fuͤr uns? Schickt ſich, paßiv zu ſeyn, fuͤr Maͤnner? Man verachtet jeden Menſchen, wenn er im Affekt iſt, Weiber weniger; denn ſie ſind zum Leiden gemacht. Woher die Verachtung? Weil die Menſchheit herabgeſetzt iſt, und die Thierheit auf dem Throne ſitzt und tyranni- ſirt?

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/268>, abgerufen am 24.11.2024.