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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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als wenn ihm im Tode die Haare wieder
wachsen würden! -- Du armer Absalon!
Bist du denn in keinem Gebeinhaus gewesen?
Hast du denn keinen gebleichten Schädel gese-
hen? Ich nenne so Etwas auf Gottes Blei-
che liegen, sagte der Graf im vertraulichen
Lehrton, in den er oft fiel, und wahrlich! wir
werden durch den Tod ausgewaschen. Wenn
ich einen alten Mann, ich sage mit Fleiß alten
Mann, mit einer Glatze, mit einem Todtenkopf
sehe, denk ich, der Mann ist schon dem Himmel
näher, als ich. -- Wie gefällt Ihnen die Ge-
schichte von Absalon, der wahrlich an den Haa-
ren starb. -- O Freunde! Nicht wahr, von vie-
len, von vielen Sterbenden kann man sagen,
sie bleiben an einer Eiche hangen? Nicht wahr,
Gevatter Prediger?

Bis dahin hört ich den Grafen mit Ver-
gnügen; da er aber zur Nutzanwendung über-
gieng, und mir ganz deutlich zu verstehen gab,
daß Minens Verlust von der nehmlichen Art
wäre, ward ich über diese Kälte, über diese
Todeskälte des Grafen, wegen meines unersez-
lichen Verlusts ungehalten. -- Es schicken
sich wenig Leute, dacht' ich, zur Nuzanwen-
dung -- ich wandte mich zu unserm Wei-
nenden
und Heulenden, und verlangte den

Ue-
B 5

als wenn ihm im Tode die Haare wieder
wachſen wuͤrden! — Du armer Abſalon!
Biſt du denn in keinem Gebeinhaus geweſen?
Haſt du denn keinen gebleichten Schaͤdel geſe-
hen? Ich nenne ſo Etwas auf Gottes Blei-
che liegen, ſagte der Graf im vertraulichen
Lehrton, in den er oft fiel, und wahrlich! wir
werden durch den Tod ausgewaſchen. Wenn
ich einen alten Mann, ich ſage mit Fleiß alten
Mann, mit einer Glatze, mit einem Todtenkopf
ſehe, denk ich, der Mann iſt ſchon dem Himmel
naͤher, als ich. — Wie gefaͤllt Ihnen die Ge-
ſchichte von Abſalon, der wahrlich an den Haa-
ren ſtarb. — O Freunde! Nicht wahr, von vie-
len, von vielen Sterbenden kann man ſagen,
ſie bleiben an einer Eiche hangen? Nicht wahr,
Gevatter Prediger?

Bis dahin hoͤrt ich den Grafen mit Ver-
gnuͤgen; da er aber zur Nutzanwendung uͤber-
gieng, und mir ganz deutlich zu verſtehen gab,
daß Minens Verluſt von der nehmlichen Art
waͤre, ward ich uͤber dieſe Kaͤlte, uͤber dieſe
Todeskaͤlte des Grafen, wegen meines unerſez-
lichen Verluſts ungehalten. — Es ſchicken
ſich wenig Leute, dacht’ ich, zur Nuzanwen-
dung — ich wandte mich zu unſerm Wei-
nenden
und Heulenden, und verlangte den

Ue-
B 5
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[25/0031] als wenn ihm im Tode die Haare wieder wachſen wuͤrden! — Du armer Abſalon! Biſt du denn in keinem Gebeinhaus geweſen? Haſt du denn keinen gebleichten Schaͤdel geſe- hen? Ich nenne ſo Etwas auf Gottes Blei- che liegen, ſagte der Graf im vertraulichen Lehrton, in den er oft fiel, und wahrlich! wir werden durch den Tod ausgewaſchen. Wenn ich einen alten Mann, ich ſage mit Fleiß alten Mann, mit einer Glatze, mit einem Todtenkopf ſehe, denk ich, der Mann iſt ſchon dem Himmel naͤher, als ich. — Wie gefaͤllt Ihnen die Ge- ſchichte von Abſalon, der wahrlich an den Haa- ren ſtarb. — O Freunde! Nicht wahr, von vie- len, von vielen Sterbenden kann man ſagen, ſie bleiben an einer Eiche hangen? Nicht wahr, Gevatter Prediger? Bis dahin hoͤrt ich den Grafen mit Ver- gnuͤgen; da er aber zur Nutzanwendung uͤber- gieng, und mir ganz deutlich zu verſtehen gab, daß Minens Verluſt von der nehmlichen Art waͤre, ward ich uͤber dieſe Kaͤlte, uͤber dieſe Todeskaͤlte des Grafen, wegen meines unerſez- lichen Verluſts ungehalten. — Es ſchicken ſich wenig Leute, dacht’ ich, zur Nuzanwen- dung — ich wandte mich zu unſerm Wei- nenden und Heulenden, und verlangte den Ue- B 5

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/31>, abgerufen am 28.04.2024.