als wenn ihm im Tode die Haare wieder wachsen würden! -- Du armer Absalon! Bist du denn in keinem Gebeinhaus gewesen? Hast du denn keinen gebleichten Schädel gese- hen? Ich nenne so Etwas auf Gottes Blei- che liegen, sagte der Graf im vertraulichen Lehrton, in den er oft fiel, und wahrlich! wir werden durch den Tod ausgewaschen. Wenn ich einen alten Mann, ich sage mit Fleiß alten Mann, mit einer Glatze, mit einem Todtenkopf sehe, denk ich, der Mann ist schon dem Himmel näher, als ich. -- Wie gefällt Ihnen die Ge- schichte von Absalon, der wahrlich an den Haa- ren starb. -- O Freunde! Nicht wahr, von vie- len, von vielen Sterbenden kann man sagen, sie bleiben an einer Eiche hangen? Nicht wahr, Gevatter Prediger?
Bis dahin hört ich den Grafen mit Ver- gnügen; da er aber zur Nutzanwendung über- gieng, und mir ganz deutlich zu verstehen gab, daß Minens Verlust von der nehmlichen Art wäre, ward ich über diese Kälte, über diese Todeskälte des Grafen, wegen meines unersez- lichen Verlusts ungehalten. -- Es schicken sich wenig Leute, dacht' ich, zur Nuzanwen- dung -- ich wandte mich zu unserm Wei- nenden und Heulenden, und verlangte den
Ue-
B 5
als wenn ihm im Tode die Haare wieder wachſen wuͤrden! — Du armer Abſalon! Biſt du denn in keinem Gebeinhaus geweſen? Haſt du denn keinen gebleichten Schaͤdel geſe- hen? Ich nenne ſo Etwas auf Gottes Blei- che liegen, ſagte der Graf im vertraulichen Lehrton, in den er oft fiel, und wahrlich! wir werden durch den Tod ausgewaſchen. Wenn ich einen alten Mann, ich ſage mit Fleiß alten Mann, mit einer Glatze, mit einem Todtenkopf ſehe, denk ich, der Mann iſt ſchon dem Himmel naͤher, als ich. — Wie gefaͤllt Ihnen die Ge- ſchichte von Abſalon, der wahrlich an den Haa- ren ſtarb. — O Freunde! Nicht wahr, von vie- len, von vielen Sterbenden kann man ſagen, ſie bleiben an einer Eiche hangen? Nicht wahr, Gevatter Prediger?
Bis dahin hoͤrt ich den Grafen mit Ver- gnuͤgen; da er aber zur Nutzanwendung uͤber- gieng, und mir ganz deutlich zu verſtehen gab, daß Minens Verluſt von der nehmlichen Art waͤre, ward ich uͤber dieſe Kaͤlte, uͤber dieſe Todeskaͤlte des Grafen, wegen meines unerſez- lichen Verluſts ungehalten. — Es ſchicken ſich wenig Leute, dacht’ ich, zur Nuzanwen- dung — ich wandte mich zu unſerm Wei- nenden und Heulenden, und verlangte den
Ue-
B 5
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0031"n="25"/>
als wenn ihm im Tode die Haare wieder<lb/>
wachſen wuͤrden! — Du armer Abſalon!<lb/>
Biſt du denn in keinem Gebeinhaus geweſen?<lb/>
Haſt du denn keinen gebleichten Schaͤdel geſe-<lb/>
hen? Ich nenne ſo Etwas auf Gottes Blei-<lb/>
che liegen, ſagte der Graf im vertraulichen<lb/>
Lehrton, in den er oft fiel, und wahrlich! wir<lb/>
werden durch den Tod ausgewaſchen. Wenn<lb/>
ich einen alten Mann, ich ſage mit Fleiß alten<lb/>
Mann, mit einer Glatze, mit einem Todtenkopf<lb/>ſehe, denk ich, der Mann iſt ſchon dem Himmel<lb/>
naͤher, als ich. — Wie gefaͤllt Ihnen die Ge-<lb/>ſchichte von Abſalon, der wahrlich an den Haa-<lb/>
ren ſtarb. — O Freunde! Nicht wahr, von vie-<lb/>
len, von vielen Sterbenden kann man ſagen,<lb/>ſie bleiben an einer Eiche hangen? Nicht wahr,<lb/>
Gevatter Prediger?</p><lb/><p>Bis dahin hoͤrt ich den Grafen mit Ver-<lb/>
gnuͤgen; da er aber zur Nutzanwendung uͤber-<lb/>
gieng, und mir ganz deutlich zu verſtehen gab,<lb/>
daß Minens Verluſt von der nehmlichen Art<lb/>
waͤre, ward ich uͤber dieſe Kaͤlte, uͤber dieſe<lb/>
Todeskaͤlte des Grafen, wegen meines unerſez-<lb/>
lichen Verluſts ungehalten. — Es ſchicken<lb/>ſich wenig Leute, dacht’ ich, zur Nuzanwen-<lb/>
dung — ich wandte mich zu unſerm <hirendition="#fr">Wei-<lb/>
nenden</hi> und <hirendition="#fr">Heulenden,</hi> und verlangte den<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Ue-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[25/0031]
als wenn ihm im Tode die Haare wieder
wachſen wuͤrden! — Du armer Abſalon!
Biſt du denn in keinem Gebeinhaus geweſen?
Haſt du denn keinen gebleichten Schaͤdel geſe-
hen? Ich nenne ſo Etwas auf Gottes Blei-
che liegen, ſagte der Graf im vertraulichen
Lehrton, in den er oft fiel, und wahrlich! wir
werden durch den Tod ausgewaſchen. Wenn
ich einen alten Mann, ich ſage mit Fleiß alten
Mann, mit einer Glatze, mit einem Todtenkopf
ſehe, denk ich, der Mann iſt ſchon dem Himmel
naͤher, als ich. — Wie gefaͤllt Ihnen die Ge-
ſchichte von Abſalon, der wahrlich an den Haa-
ren ſtarb. — O Freunde! Nicht wahr, von vie-
len, von vielen Sterbenden kann man ſagen,
ſie bleiben an einer Eiche hangen? Nicht wahr,
Gevatter Prediger?
Bis dahin hoͤrt ich den Grafen mit Ver-
gnuͤgen; da er aber zur Nutzanwendung uͤber-
gieng, und mir ganz deutlich zu verſtehen gab,
daß Minens Verluſt von der nehmlichen Art
waͤre, ward ich uͤber dieſe Kaͤlte, uͤber dieſe
Todeskaͤlte des Grafen, wegen meines unerſez-
lichen Verluſts ungehalten. — Es ſchicken
ſich wenig Leute, dacht’ ich, zur Nuzanwen-
dung — ich wandte mich zu unſerm Wei-
nenden und Heulenden, und verlangte den
Ue-
B 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/31>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.