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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Was meynt ihr Herren Gelehrten, wä-
ren Universitäten nicht die Plätze, wo der-
gleichen Streit geführt werden könnte? Es
versteht sich, nicht über den Umstand, ob es
ehegestern gefroren, oder nicht? Und über
diesen und jenen Schnack, den Herr v.
W-- anders, und Herrmann anders gehört
haben.

Bey unsern jetzigen Verfassungen siehet
man offenbar ein, wie nützlich und selig es
sey, gewißen Dingen ein Ansehn beyzulegen,
sie zu Würden und Ehren zu bringen, und
sie dabey zu erhalten. Eben so siehet man
auch ein, wie wenig die Sache sich von selbst
zur Strenge, zum Ernst berechtige, und was
ist zu thun? Man würzet gesundes Essen,
man hängt sich einen langen schwarzseidnen
oder wollenen Mantel, eine Reverende, um
die Schultern, man theilt Stock und Degen
aus. Der Mensch ist von seiner Unwichtig-
keit, so bald er sich ins rechte Licht stellt, voll-
ständig überzeugt, und dies bringt ihn zum
Lustigen, obgleich es noch eine zum Streit
auszusetzende Frage wäre: ob der Mensch zur
Lustigkeit gebohren sey? Das Klügste, was
ein unwichtiger Mensch anfangen kann, ist,
lustig seyn. Das sehen wir an unsern All-

tags-

Was meynt ihr Herren Gelehrten, waͤ-
ren Univerſitaͤten nicht die Plaͤtze, wo der-
gleichen Streit gefuͤhrt werden koͤnnte? Es
verſteht ſich, nicht uͤber den Umſtand, ob es
ehegeſtern gefroren, oder nicht? Und uͤber
dieſen und jenen Schnack, den Herr v.
W— anders, und Herrmann anders gehoͤrt
haben.

Bey unſern jetzigen Verfaſſungen ſiehet
man offenbar ein, wie nuͤtzlich und ſelig es
ſey, gewißen Dingen ein Anſehn beyzulegen,
ſie zu Wuͤrden und Ehren zu bringen, und
ſie dabey zu erhalten. Eben ſo ſiehet man
auch ein, wie wenig die Sache ſich von ſelbſt
zur Strenge, zum Ernſt berechtige, und was
iſt zu thun? Man wuͤrzet geſundes Eſſen,
man haͤngt ſich einen langen ſchwarzſeidnen
oder wollenen Mantel, eine Reverende, um
die Schultern, man theilt Stock und Degen
aus. Der Menſch iſt von ſeiner Unwichtig-
keit, ſo bald er ſich ins rechte Licht ſtellt, voll-
ſtaͤndig uͤberzeugt, und dies bringt ihn zum
Luſtigen, obgleich es noch eine zum Streit
auszuſetzende Frage waͤre: ob der Menſch zur
Luſtigkeit gebohren ſey? Das Kluͤgſte, was
ein unwichtiger Menſch anfangen kann, iſt,
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[304/0310] Was meynt ihr Herren Gelehrten, waͤ- ren Univerſitaͤten nicht die Plaͤtze, wo der- gleichen Streit gefuͤhrt werden koͤnnte? Es verſteht ſich, nicht uͤber den Umſtand, ob es ehegeſtern gefroren, oder nicht? Und uͤber dieſen und jenen Schnack, den Herr v. W— anders, und Herrmann anders gehoͤrt haben. Bey unſern jetzigen Verfaſſungen ſiehet man offenbar ein, wie nuͤtzlich und ſelig es ſey, gewißen Dingen ein Anſehn beyzulegen, ſie zu Wuͤrden und Ehren zu bringen, und ſie dabey zu erhalten. Eben ſo ſiehet man auch ein, wie wenig die Sache ſich von ſelbſt zur Strenge, zum Ernſt berechtige, und was iſt zu thun? Man wuͤrzet geſundes Eſſen, man haͤngt ſich einen langen ſchwarzſeidnen oder wollenen Mantel, eine Reverende, um die Schultern, man theilt Stock und Degen aus. Der Menſch iſt von ſeiner Unwichtig- keit, ſo bald er ſich ins rechte Licht ſtellt, voll- ſtaͤndig uͤberzeugt, und dies bringt ihn zum Luſtigen, obgleich es noch eine zum Streit auszuſetzende Frage waͤre: ob der Menſch zur Luſtigkeit gebohren ſey? Das Kluͤgſte, was ein unwichtiger Menſch anfangen kann, iſt, luſtig ſeyn. Das ſehen wir an unſern All- tags-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/310>, abgerufen am 22.11.2024.