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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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bringt so sehr zu sich, als dergleichen Exceß.
Ein ganz stiller Schmerz ist der gefährlichste.
Wenn er poltert, schlägt und stößt, legt sich
der Sturm und es wird bald stille. Stren-
ge Herren regieren nicht lange! --

Der gute Prediger, der oft zurückgeblie-
ben, wollte bey dieser Gelegenheit voraus und
eilte uns mit der Anzeige nach, daß Alexan-
der der Große, als ihm sein Jonathan He-
phästion starb, so gar die Stadtmauren kurz
und klein gemacht, um eben hiedurch Trauer
zu tragen um seinen Todten. --

Daß man sich die Haar abschnitt, um sei-
ne Trauer an den Tag zu legen, find ich nicht
unrecht, sagte der Graf. Man will auch was
von sich verlieren, man will dem Verstorbenen
Etwas mitgeben -- ich dacht' an Minens
Locke, die ich an meinem Busen befestiget hat-
te, und gern hätt ich jetzt eine von mir Minen
ins Grab gegeben, wenn es nicht zu spät ge-
wesen. -- Wie viel Sterbensart kann man
von einem Mann, wie der Graf, lernen!

Ich komme wieder ins vorige Extrakts-
geleise. -- Die Haare ausraufen, ist von je
her als ein Zeichen der Traurigkeit angenom-
men worden. Wer gen Himmel betrübt se-
hen kann, fordert der nicht fast Gott heraus,

thut

bringt ſo ſehr zu ſich, als dergleichen Exceß.
Ein ganz ſtiller Schmerz iſt der gefaͤhrlichſte.
Wenn er poltert, ſchlaͤgt und ſtoͤßt, legt ſich
der Sturm und es wird bald ſtille. Stren-
ge Herren regieren nicht lange! —

Der gute Prediger, der oft zuruͤckgeblie-
ben, wollte bey dieſer Gelegenheit voraus und
eilte uns mit der Anzeige nach, daß Alexan-
der der Große, als ihm ſein Jonathan He-
phaͤſtion ſtarb, ſo gar die Stadtmauren kurz
und klein gemacht, um eben hiedurch Trauer
zu tragen um ſeinen Todten. —

Daß man ſich die Haar abſchnitt, um ſei-
ne Trauer an den Tag zu legen, find ich nicht
unrecht, ſagte der Graf. Man will auch was
von ſich verlieren, man will dem Verſtorbenen
Etwas mitgeben — ich dacht’ an Minens
Locke, die ich an meinem Buſen befeſtiget hat-
te, und gern haͤtt ich jetzt eine von mir Minen
ins Grab gegeben, wenn es nicht zu ſpaͤt ge-
weſen. — Wie viel Sterbensart kann man
von einem Mann, wie der Graf, lernen!

Ich komme wieder ins vorige Extrakts-
geleiſe. — Die Haare ausraufen, iſt von je
her als ein Zeichen der Traurigkeit angenom-
men worden. Wer gen Himmel betruͤbt ſe-
hen kann, fordert der nicht faſt Gott heraus,

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[44/0050] bringt ſo ſehr zu ſich, als dergleichen Exceß. Ein ganz ſtiller Schmerz iſt der gefaͤhrlichſte. Wenn er poltert, ſchlaͤgt und ſtoͤßt, legt ſich der Sturm und es wird bald ſtille. Stren- ge Herren regieren nicht lange! — Der gute Prediger, der oft zuruͤckgeblie- ben, wollte bey dieſer Gelegenheit voraus und eilte uns mit der Anzeige nach, daß Alexan- der der Große, als ihm ſein Jonathan He- phaͤſtion ſtarb, ſo gar die Stadtmauren kurz und klein gemacht, um eben hiedurch Trauer zu tragen um ſeinen Todten. — Daß man ſich die Haar abſchnitt, um ſei- ne Trauer an den Tag zu legen, find ich nicht unrecht, ſagte der Graf. Man will auch was von ſich verlieren, man will dem Verſtorbenen Etwas mitgeben — ich dacht’ an Minens Locke, die ich an meinem Buſen befeſtiget hat- te, und gern haͤtt ich jetzt eine von mir Minen ins Grab gegeben, wenn es nicht zu ſpaͤt ge- weſen. — Wie viel Sterbensart kann man von einem Mann, wie der Graf, lernen! Ich komme wieder ins vorige Extrakts- geleiſe. — Die Haare ausraufen, iſt von je her als ein Zeichen der Traurigkeit angenom- men worden. Wer gen Himmel betruͤbt ſe- hen kann, fordert der nicht faſt Gott heraus, thut

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/50>, abgerufen am 27.04.2024.