abermal zu ihnen: Wisset ihr, was ich euch gethan habe? Ihr heißet mich Meister und Herr, und saget recht daran, denn ich bins auch. So nun ich, euer Herr und Mei- ster, euch die Füße gewaschen habe; so sollt ihr auch euch unter einander die Füße wa- schen. Ein Beyspiel habe ich euch gegeben, daß ihr thut wie ich euch gethan habe. Wahrlich, wahrlich! ich sage euch: der Knecht ist nicht größer, denn sein Herr, noch der Apostel größer, denn der ihn ge- sandt hat. So ihr solches wisset, selig seyd ihr, so ihrs thut.
Diese Ceremonie ward so rührend vollzo- gen, daß die Pastorwittwe mit Thränen das Fußwasser verstärkte, welches nach vollbrach- ter Ceremonie, ohnweit dem grünen Tauf- wasserplatz ausgegossen ward. Es ist kein Taufwasser, sagte meine Mutter. Da dieses alles der Pastorwittwe als etwas sehr Neues schien, verhielt ihr meine Mutter nicht, daß die Wiedertäufer mehr heiliges Wasser in ih- rem Glauben hätten, als wir; indessen es später zu gebrauchen anfiengen. Behüte Gott, daß wir das Fußwaschen, nach Mey- nung mancher Irchristen, für etwas mehr, als einen Nachtmahlsvorklang, ein reines
Hemde
abermal zu ihnen: Wiſſet ihr, was ich euch gethan habe? Ihr heißet mich Meiſter und Herr, und ſaget recht daran, denn ich bins auch. So nun ich, euer Herr und Mei- ſter, euch die Fuͤße gewaſchen habe; ſo ſollt ihr auch euch unter einander die Fuͤße wa- ſchen. Ein Beyſpiel habe ich euch gegeben, daß ihr thut wie ich euch gethan habe. Wahrlich, wahrlich! ich ſage euch: der Knecht iſt nicht groͤßer, denn ſein Herr, noch der Apoſtel groͤßer, denn der ihn ge- ſandt hat. So ihr ſolches wiſſet, ſelig ſeyd ihr, ſo ihrs thut.
Dieſe Ceremonie ward ſo ruͤhrend vollzo- gen, daß die Paſtorwittwe mit Thraͤnen das Fußwaſſer verſtaͤrkte, welches nach vollbrach- ter Ceremonie, ohnweit dem gruͤnen Tauf- waſſerplatz ausgegoſſen ward. Es iſt kein Taufwaſſer, ſagte meine Mutter. Da dieſes alles der Paſtorwittwe als etwas ſehr Neues ſchien, verhielt ihr meine Mutter nicht, daß die Wiedertaͤufer mehr heiliges Waſſer in ih- rem Glauben haͤtten, als wir; indeſſen es ſpaͤter zu gebrauchen anfiengen. Behuͤte Gott, daß wir das Fußwaſchen, nach Mey- nung mancher Irchriſten, fuͤr etwas mehr, als einen Nachtmahlsvorklang, ein reines
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abermal zu ihnen: Wiſſet ihr, was ich euch
gethan habe? Ihr heißet mich Meiſter und
Herr, und ſaget recht daran, denn ich bins
auch. So nun ich, euer Herr und Mei-
ſter, euch die Fuͤße gewaſchen habe; ſo ſollt
ihr auch euch unter einander die Fuͤße wa-
ſchen. Ein Beyſpiel habe ich euch gegeben,
daß ihr thut wie ich euch gethan habe.
Wahrlich, wahrlich! ich ſage euch: der
Knecht iſt nicht groͤßer, denn ſein Herr,
noch der Apoſtel groͤßer, denn der ihn ge-
ſandt hat. So ihr ſolches wiſſet, ſelig
ſeyd ihr, ſo ihrs thut.
Dieſe Ceremonie ward ſo ruͤhrend vollzo-
gen, daß die Paſtorwittwe mit Thraͤnen das
Fußwaſſer verſtaͤrkte, welches nach vollbrach-
ter Ceremonie, ohnweit dem gruͤnen Tauf-
waſſerplatz ausgegoſſen ward. Es iſt kein
Taufwaſſer, ſagte meine Mutter. Da dieſes
alles der Paſtorwittwe als etwas ſehr Neues
ſchien, verhielt ihr meine Mutter nicht, daß
die Wiedertaͤufer mehr heiliges Waſſer in ih-
rem Glauben haͤtten, als wir; indeſſen es
ſpaͤter zu gebrauchen anfiengen. Behuͤte
Gott, daß wir das Fußwaſchen, nach Mey-
nung mancher Irchriſten, fuͤr etwas mehr,
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/106>, abgerufen am 23.11.2024.
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