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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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lendetem Fußbade faltete die Gewaschene die
Hände und sprach: das Lamm mitten im
Stuhl wird sie weiden und leiten zu dem le-
bendigen Wasserbrunnen, und Gott wird ab-
wischen alle Thränen von ihren Augen. Of-
fenbahrung Johannes das neunzehnte Capi-
tel, vom siebenten bis zum neunten Vers.
Lasset uns freuen und fröhlich seyn, und ihm
die Ehre geben, denn die Hochzeit des Lammes
ist kommen, und sein Weib hat sich bereitet, und
es ward ihr gegeben sich anzuthun mit rei-
ner und schöner Seiden (die Seide aber ist die
Gerechtigkeit der Heiligen). Und er sprach
zu mir: schreibe: selig sind, die zum Abend-
mahl der Hochzeit des Lammes berufen sind --

In dieser Fußgereinigten geduldigen nach-
gebenden Lage traf sie der Pastor, der sie noch
in der vorigen Verfassung zu finden glaubte.
Er mußte also seine Anrede, die er auf den
entzückten Zustand zugeschnitten, kurz und
gut abändern. Sein unstudirter Vortrag fiel
indessen so erbaulich aus, daß alle, die ihn hör-
ten, gerührt wurden. Seine Hauptworte wa-
ren: Selig sind, die zum Abendmal der Hoch-
zeit des Lammes berufen sind. Meine Mutter
hielt eine Beichte, die sie aus dem Innersten
des Herzens nahm. Mine war Anfang und

Ende

lendetem Fußbade faltete die Gewaſchene die
Haͤnde und ſprach: das Lamm mitten im
Stuhl wird ſie weiden und leiten zu dem le-
bendigen Waſſerbrunnen, und Gott wird ab-
wiſchen alle Thraͤnen von ihren Augen. Of-
fenbahrung Johannes das neunzehnte Capi-
tel, vom ſiebenten bis zum neunten Vers.
Laſſet uns freuen und froͤhlich ſeyn, und ihm
die Ehre geben, denn die Hochzeit des Lammes
iſt kommen, und ſein Weib hat ſich bereitet, und
es ward ihr gegeben ſich anzuthun mit rei-
ner und ſchoͤner Seiden (die Seide aber iſt die
Gerechtigkeit der Heiligen). Und er ſprach
zu mir: ſchreibe: ſelig ſind, die zum Abend-
mahl der Hochzeit des Lammes berufen ſind —

In dieſer Fußgereinigten geduldigen nach-
gebenden Lage traf ſie der Paſtor, der ſie noch
in der vorigen Verfaſſung zu finden glaubte.
Er mußte alſo ſeine Anrede, die er auf den
entzuͤckten Zuſtand zugeſchnitten, kurz und
gut abaͤndern. Sein unſtudirter Vortrag fiel
indeſſen ſo erbaulich aus, daß alle, die ihn hoͤr-
ten, geruͤhrt wurden. Seine Hauptworte wa-
ren: Selig ſind, die zum Abendmal der Hoch-
zeit des Lammes berufen ſind. Meine Mutter
hielt eine Beichte, die ſie aus dem Innerſten
des Herzens nahm. Mine war Anfang und

Ende
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[102/0108] lendetem Fußbade faltete die Gewaſchene die Haͤnde und ſprach: das Lamm mitten im Stuhl wird ſie weiden und leiten zu dem le- bendigen Waſſerbrunnen, und Gott wird ab- wiſchen alle Thraͤnen von ihren Augen. Of- fenbahrung Johannes das neunzehnte Capi- tel, vom ſiebenten bis zum neunten Vers. Laſſet uns freuen und froͤhlich ſeyn, und ihm die Ehre geben, denn die Hochzeit des Lammes iſt kommen, und ſein Weib hat ſich bereitet, und es ward ihr gegeben ſich anzuthun mit rei- ner und ſchoͤner Seiden (die Seide aber iſt die Gerechtigkeit der Heiligen). Und er ſprach zu mir: ſchreibe: ſelig ſind, die zum Abend- mahl der Hochzeit des Lammes berufen ſind — In dieſer Fußgereinigten geduldigen nach- gebenden Lage traf ſie der Paſtor, der ſie noch in der vorigen Verfaſſung zu finden glaubte. Er mußte alſo ſeine Anrede, die er auf den entzuͤckten Zuſtand zugeſchnitten, kurz und gut abaͤndern. Sein unſtudirter Vortrag fiel indeſſen ſo erbaulich aus, daß alle, die ihn hoͤr- ten, geruͤhrt wurden. Seine Hauptworte wa- ren: Selig ſind, die zum Abendmal der Hoch- zeit des Lammes berufen ſind. Meine Mutter hielt eine Beichte, die ſie aus dem Innerſten des Herzens nahm. Mine war Anfang und Ende

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/108>, abgerufen am 23.11.2024.