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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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unter der Rubrik, Lehrer, was steht da
nicht alles? Schullehrer, Kirchenlehrer, ist
zwar der bekannteste Lehrunterschied; allein
auch gewis der unbedeutendste. O der un-
aussprechlichen Unterschiede! Wie wird ein
Jüngling seinen Weg unsträflich gehen? Die-
se Welt ist eine Schule, wo Lehren und Ler-
nen abwechselt, und fast beständig so, daß
man zu gleicher Zeit lehrt und lernt, Docen-
do discimus;
sonst würd' auch die edle Zeit
verlohren gehn, die oft die besten Köpf' aufs
Lehren verwenden. Es ist indeßen, wahrlich,
weit schwerer zu lehren, als zu lernen. Der
Mensch hat sehr was gelehriges; allein wenn
er unterrichten soll, zeigt er überall, daß Gott
sein Lehrer gewesen, und daß er, in Rücksicht
des Lehramts, das Bild Gottes verlohren.
Wahrlich, daß es mit dem menschlichen Ge-
schlechte so wenig fortwill, daß es nicht von
einer Stelle kommt, liegt am Lehrstande.
Das arme Menschengeschlecht, wie es da noch
immer in seinem Blute liegt? und was thun
unsere Gros- und Kleinsprecher? Sie bestel-
len einen schönen eichenen Sarg, mit im Feur
vergoldeten Griffen, um für ein Standes-
mäßiges Begräbnis Sorge zu tragen. Die
meisten Lehrer sind Curatores funeris, Leichen-

besor-

unter der Rubrik, Lehrer, was ſteht da
nicht alles? Schullehrer, Kirchenlehrer, iſt
zwar der bekannteſte Lehrunterſchied; allein
auch gewis der unbedeutendſte. O der un-
ausſprechlichen Unterſchiede! Wie wird ein
Juͤngling ſeinen Weg unſtraͤflich gehen? Die-
ſe Welt iſt eine Schule, wo Lehren und Ler-
nen abwechſelt, und faſt beſtaͤndig ſo, daß
man zu gleicher Zeit lehrt und lernt, Docen-
do diſcimus;
ſonſt wuͤrd’ auch die edle Zeit
verlohren gehn, die oft die beſten Koͤpf’ aufs
Lehren verwenden. Es iſt indeßen, wahrlich,
weit ſchwerer zu lehren, als zu lernen. Der
Menſch hat ſehr was gelehriges; allein wenn
er unterrichten ſoll, zeigt er uͤberall, daß Gott
ſein Lehrer geweſen, und daß er, in Ruͤckſicht
des Lehramts, das Bild Gottes verlohren.
Wahrlich, daß es mit dem menſchlichen Ge-
ſchlechte ſo wenig fortwill, daß es nicht von
einer Stelle kommt, liegt am Lehrſtande.
Das arme Menſchengeſchlecht, wie es da noch
immer in ſeinem Blute liegt? und was thun
unſere Gros- und Kleinſprecher? Sie beſtel-
len einen ſchoͤnen eichenen Sarg, mit im Feur
vergoldeten Griffen, um fuͤr ein Standes-
maͤßiges Begraͤbnis Sorge zu tragen. Die
meiſten Lehrer ſind Curatores funeris, Leichen-

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[6/0014] unter der Rubrik, Lehrer, was ſteht da nicht alles? Schullehrer, Kirchenlehrer, iſt zwar der bekannteſte Lehrunterſchied; allein auch gewis der unbedeutendſte. O der un- ausſprechlichen Unterſchiede! Wie wird ein Juͤngling ſeinen Weg unſtraͤflich gehen? Die- ſe Welt iſt eine Schule, wo Lehren und Ler- nen abwechſelt, und faſt beſtaͤndig ſo, daß man zu gleicher Zeit lehrt und lernt, Docen- do diſcimus; ſonſt wuͤrd’ auch die edle Zeit verlohren gehn, die oft die beſten Koͤpf’ aufs Lehren verwenden. Es iſt indeßen, wahrlich, weit ſchwerer zu lehren, als zu lernen. Der Menſch hat ſehr was gelehriges; allein wenn er unterrichten ſoll, zeigt er uͤberall, daß Gott ſein Lehrer geweſen, und daß er, in Ruͤckſicht des Lehramts, das Bild Gottes verlohren. Wahrlich, daß es mit dem menſchlichen Ge- ſchlechte ſo wenig fortwill, daß es nicht von einer Stelle kommt, liegt am Lehrſtande. Das arme Menſchengeſchlecht, wie es da noch immer in ſeinem Blute liegt? und was thun unſere Gros- und Kleinſprecher? Sie beſtel- len einen ſchoͤnen eichenen Sarg, mit im Feur vergoldeten Griffen, um fuͤr ein Standes- maͤßiges Begraͤbnis Sorge zu tragen. Die meiſten Lehrer ſind Curatores funeris, Leichen- beſor-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/14>, abgerufen am 21.11.2024.