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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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gehabt? Ob Adam mit einem Nabel verse-
hen gewesen? wenn gleich der Text darnach
nicht war! -- Es war eine Stille, wo man
das Wort fast in der Seele hören konnte.
Die Frau v --, die so tief zu seufzen gewohnt
ist, daß die Wänd' es hören und wiederhallen,
als wunderten sie sich drob! -- still! ganz
still! O mein Sohn! dein Vater ist ein Feuer-
schlagender geistreicher Mann! Schade! daß
er sein hebräisch nicht aus der ersten Hand
hat! und abermals schade! daß man nicht
weiß, wo er her ist! Sein Text ist Stahl
und Feuerstein. Er schlägt, und es fallen
Funken, des Küchenzettels unerachtet, den er
über jede Predigt macht. Ich habe geweint
bitterlich, und die ganze Kirchen- oder Trauer-
versammlung weinte so. Er schalt nicht, er
drohete nicht. Er stellte dem es heim, der da
recht richtet. Wenn ich doch schreiben könn-
te, was er sagte. Es war alles, wie in Ver-
sen, so leicht! so schön!

Laßt uns ungebeten an ein Mitglied
einer benachbarten Gemeine denken, des-
sen Erforschungs-dessen Prüfungsjahre
selig zu Ende gegangen, und der den ewi-
gen Weg der Wahrheit und des Lebens
angetreten! -- Er kam nicht zu mir, so

wie

gehabt? Ob Adam mit einem Nabel verſe-
hen geweſen? wenn gleich der Text darnach
nicht war! — Es war eine Stille, wo man
das Wort faſt in der Seele hoͤren konnte.
Die Frau v —, die ſo tief zu ſeufzen gewohnt
iſt, daß die Waͤnd’ es hoͤren und wiederhallen,
als wunderten ſie ſich drob! — ſtill! ganz
ſtill! O mein Sohn! dein Vater iſt ein Feuer-
ſchlagender geiſtreicher Mann! Schade! daß
er ſein hebraͤiſch nicht aus der erſten Hand
hat! und abermals ſchade! daß man nicht
weiß, wo er her iſt! Sein Text iſt Stahl
und Feuerſtein. Er ſchlaͤgt, und es fallen
Funken, des Kuͤchenzettels unerachtet, den er
uͤber jede Predigt macht. Ich habe geweint
bitterlich, und die ganze Kirchen- oder Trauer-
verſammlung weinte ſo. Er ſchalt nicht, er
drohete nicht. Er ſtellte dem es heim, der da
recht richtet. Wenn ich doch ſchreiben koͤnn-
te, was er ſagte. Es war alles, wie in Ver-
ſen, ſo leicht! ſo ſchoͤn!

Laßt uns ungebeten an ein Mitglied
einer benachbarten Gemeine denken, deſ-
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[156/0162] gehabt? Ob Adam mit einem Nabel verſe- hen geweſen? wenn gleich der Text darnach nicht war! — Es war eine Stille, wo man das Wort faſt in der Seele hoͤren konnte. Die Frau v —, die ſo tief zu ſeufzen gewohnt iſt, daß die Waͤnd’ es hoͤren und wiederhallen, als wunderten ſie ſich drob! — ſtill! ganz ſtill! O mein Sohn! dein Vater iſt ein Feuer- ſchlagender geiſtreicher Mann! Schade! daß er ſein hebraͤiſch nicht aus der erſten Hand hat! und abermals ſchade! daß man nicht weiß, wo er her iſt! Sein Text iſt Stahl und Feuerſtein. Er ſchlaͤgt, und es fallen Funken, des Kuͤchenzettels unerachtet, den er uͤber jede Predigt macht. Ich habe geweint bitterlich, und die ganze Kirchen- oder Trauer- verſammlung weinte ſo. Er ſchalt nicht, er drohete nicht. Er ſtellte dem es heim, der da recht richtet. Wenn ich doch ſchreiben koͤnn- te, was er ſagte. Es war alles, wie in Ver- ſen, ſo leicht! ſo ſchoͤn! Laßt uns ungebeten an ein Mitglied einer benachbarten Gemeine denken, deſ- ſen Erforſchungs-deſſen Pruͤfungsjahre ſelig zu Ende gegangen, und der den ewi- gen Weg der Wahrheit und des Lebens angetreten! — Er kam nicht zu mir, ſo wie

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/162>, abgerufen am 27.11.2024.