Plurali, den Staat vorstellten. Herr v. G -- blieb bey seinem als ob?
Theurer Naturmann, sagte mein Vater, die Wahrheit ist nackt.
Wir anders?
allein man giebt ihr ein Gewand.
Die Fabel thuts.
Niemand kann einen nackten Menschen aushalten. Das nackt seyn hat so etwas wil- des anstößiges an sich, daß ich fast die Wahr- heit selbst nicht nackt sehen möchte --
Zwar hatten die guten beyden Männer, Herr v. G -- und mein Vater, bey der feyer- lichen Aussöhnung den Friedenspunkt mit be- rührt, daß des monarchischen Staats weder im Guten noch im Bösen gedacht; sondern er vielmehr in seinen Würden und Unwürden ge- lassen werden solte; indessen war Herr v. G --, dem zum Vortheil dieser Punkt verzeichnet war, der erste, so ihn brach. --
Die drey Hauptartikel des christlichen Glaubens indessen waren die Hauptsteine des Anstoßes! --
Mein Vater verkündigte (wie meine Mut- ter versichert) das Wort Gottes rein und lau- ter, und ich muß noch hinzufügen, (ich weiß nicht, ob es meinen Lesern von ihm gefallen
wird?)
N 2
Plurali, den Staat vorſtellten. Herr v. G — blieb bey ſeinem als ob?
Theurer Naturmann, ſagte mein Vater, die Wahrheit iſt nackt.
Wir anders?
allein man giebt ihr ein Gewand.
Die Fabel thuts.
Niemand kann einen nackten Menſchen aushalten. Das nackt ſeyn hat ſo etwas wil- des anſtoͤßiges an ſich, daß ich faſt die Wahr- heit ſelbſt nicht nackt ſehen moͤchte —
Zwar hatten die guten beyden Maͤnner, Herr v. G — und mein Vater, bey der feyer- lichen Ausſoͤhnung den Friedenspunkt mit be- ruͤhrt, daß des monarchiſchen Staats weder im Guten noch im Boͤſen gedacht; ſondern er vielmehr in ſeinen Wuͤrden und Unwuͤrden ge- laſſen werden ſolte; indeſſen war Herr v. G —, dem zum Vortheil dieſer Punkt verzeichnet war, der erſte, ſo ihn brach. —
Die drey Hauptartikel des chriſtlichen Glaubens indeſſen waren die Hauptſteine des Anſtoßes! —
Mein Vater verkuͤndigte (wie meine Mut- ter verſichert) das Wort Gottes rein und lau- ter, und ich muß noch hinzufuͤgen, (ich weiß nicht, ob es meinen Leſern von ihm gefallen
wird?)
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Plurali, den Staat vorſtellten. Herr v. G —
blieb bey ſeinem als ob?
Theurer Naturmann, ſagte mein Vater,
die Wahrheit iſt nackt.
Wir anders?
allein man giebt ihr ein Gewand.
Die Fabel thuts.
Niemand kann einen nackten Menſchen
aushalten. Das nackt ſeyn hat ſo etwas wil-
des anſtoͤßiges an ſich, daß ich faſt die Wahr-
heit ſelbſt nicht nackt ſehen moͤchte —
Zwar hatten die guten beyden Maͤnner,
Herr v. G — und mein Vater, bey der feyer-
lichen Ausſoͤhnung den Friedenspunkt mit be-
ruͤhrt, daß des monarchiſchen Staats weder
im Guten noch im Boͤſen gedacht; ſondern er
vielmehr in ſeinen Wuͤrden und Unwuͤrden ge-
laſſen werden ſolte; indeſſen war Herr v. G —,
dem zum Vortheil dieſer Punkt verzeichnet
war, der erſte, ſo ihn brach. —
Die drey Hauptartikel des chriſtlichen
Glaubens indeſſen waren die Hauptſteine des
Anſtoßes! —
Mein Vater verkuͤndigte (wie meine Mut-
ter verſichert) das Wort Gottes rein und lau-
ter, und ich muß noch hinzufuͤgen, (ich weiß
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/201>, abgerufen am 23.11.2024.
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