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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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stehe, der mir das Vatertheil noch vorbehal-
ten hat.

Ich glaube, daß heißt: wenn tausend
Schwarz- und Weißkünstler und Klugheits-
gaukler auch kämen und sprächen: es ist kein
Gott; so müßten und könnten mich doch diese
Sprünge durch den Reif aus diesen Verhält-
nissen nicht herauslügen und trügen, da schon
die Wahrscheinlichkeit, selbst die Möglichkeit,
daß er sey, und der eben hieraus fließende
Glaube an ihn hinreichend ist, mich in den
Verhältnissen, als Kind, als Bruder, als
Herr, zu erhalten, und zur strengsten Erfül-
lung der hiemit verbundenen Pflichten zu
bringen.

So erklär ich mir den Glauben, von wel-
chem vielfältig in der Bibel geredet wird.
Eine vollständige demonstrirte Gewißheit von
dem Daseyn des Allvollkommen würde mehr
schaden als nützen, so wie die Gewisheit von
meinem Tode; wenigstens ist mir die Demon-
stration von der Existenz Gottes nicht noth-
wendig, und ein lebendiger Glaube ist, die
Sache genau genommen, mehr als eine De-
monstration. Einen lebendigen Glauben
nenn ich, der durchs Leben thätig ist: denn
der Glaube, wenn er nicht Werke hat, ist er

todt

ſtehe, der mir das Vatertheil noch vorbehal-
ten hat.

Ich glaube, daß heißt: wenn tauſend
Schwarz- und Weißkuͤnſtler und Klugheits-
gaukler auch kaͤmen und ſpraͤchen: es iſt kein
Gott; ſo muͤßten und koͤnnten mich doch dieſe
Spruͤnge durch den Reif aus dieſen Verhaͤlt-
niſſen nicht herausluͤgen und truͤgen, da ſchon
die Wahrſcheinlichkeit, ſelbſt die Moͤglichkeit,
daß er ſey, und der eben hieraus fließende
Glaube an ihn hinreichend iſt, mich in den
Verhaͤltniſſen, als Kind, als Bruder, als
Herr, zu erhalten, und zur ſtrengſten Erfuͤl-
lung der hiemit verbundenen Pflichten zu
bringen.

So erklaͤr ich mir den Glauben, von wel-
chem vielfaͤltig in der Bibel geredet wird.
Eine vollſtaͤndige demonſtrirte Gewißheit von
dem Daſeyn des Allvollkommen wuͤrde mehr
ſchaden als nuͤtzen, ſo wie die Gewisheit von
meinem Tode; wenigſtens iſt mir die Demon-
ſtration von der Exiſtenz Gottes nicht noth-
wendig, und ein lebendiger Glaube iſt, die
Sache genau genommen, mehr als eine De-
monſtration. Einen lebendigen Glauben
nenn ich, der durchs Leben thaͤtig iſt: denn
der Glaube, wenn er nicht Werke hat, iſt er

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[203/0209] ſtehe, der mir das Vatertheil noch vorbehal- ten hat. Ich glaube, daß heißt: wenn tauſend Schwarz- und Weißkuͤnſtler und Klugheits- gaukler auch kaͤmen und ſpraͤchen: es iſt kein Gott; ſo muͤßten und koͤnnten mich doch dieſe Spruͤnge durch den Reif aus dieſen Verhaͤlt- niſſen nicht herausluͤgen und truͤgen, da ſchon die Wahrſcheinlichkeit, ſelbſt die Moͤglichkeit, daß er ſey, und der eben hieraus fließende Glaube an ihn hinreichend iſt, mich in den Verhaͤltniſſen, als Kind, als Bruder, als Herr, zu erhalten, und zur ſtrengſten Erfuͤl- lung der hiemit verbundenen Pflichten zu bringen. So erklaͤr ich mir den Glauben, von wel- chem vielfaͤltig in der Bibel geredet wird. Eine vollſtaͤndige demonſtrirte Gewißheit von dem Daſeyn des Allvollkommen wuͤrde mehr ſchaden als nuͤtzen, ſo wie die Gewisheit von meinem Tode; wenigſtens iſt mir die Demon- ſtration von der Exiſtenz Gottes nicht noth- wendig, und ein lebendiger Glaube iſt, die Sache genau genommen, mehr als eine De- monſtration. Einen lebendigen Glauben nenn ich, der durchs Leben thaͤtig iſt: denn der Glaube, wenn er nicht Werke hat, iſt er todt

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/209>, abgerufen am 27.11.2024.