zu können? Man sehe sich doch um, läßt sich denn der Geistliche nicht weit lieber bey seinem Lehnspatron, als bey Abraham, Isaak und Jakob, zu Tische bitten? Sich zerstreu- en, heißt denn das leben? Es heißt, recht geflißentlich nicht leben, es heißt, das Leben fliehen, das ohne hin nicht leiden kann, daß man es sauer ansieht. Zwar giebts Männer, die, wie mein Vater, ein Rad gebrochen und im Wirthshause weilen, die, wie der Pastor in -- Drosselfänger, und wie der in L -- Ehemänner von Weibern sind, die eine Lin- denkrankheit haben, aber --
Ich will es meinen Lesern nicht länger vorhalten. Soldat, dachte ich, um mein Leben in die Schanze zu schlagen, um so zu stehen, wie Urias, wiewohl wider Wissen und Willen, stand, als der König David sein Weib zur Wittwe machen wollte. Welch ei- ne Kluft indeßen war zwischen diesem Gedan- ken, und der Ausführung! welch eine Veste war einzunehmen! Ich versteckte mich, wie meine Leser es selbst wißen, mit diesem Ge- danken unter die Bäume im Garten, und stellte mich geflißentlich so, damit meine Mut- ter mich am wenigsten sehen möchte, deren Lo-
sung
zu koͤnnen? Man ſehe ſich doch um, laͤßt ſich denn der Geiſtliche nicht weit lieber bey ſeinem Lehnspatron, als bey Abraham, Iſaak und Jakob, zu Tiſche bitten? Sich zerſtreu- en, heißt denn das leben? Es heißt, recht geflißentlich nicht leben, es heißt, das Leben fliehen, das ohne hin nicht leiden kann, daß man es ſauer anſieht. Zwar giebts Maͤnner, die, wie mein Vater, ein Rad gebrochen und im Wirthshauſe weilen, die, wie der Paſtor in — Droſſelfaͤnger, und wie der in L — Ehemaͤnner von Weibern ſind, die eine Lin- denkrankheit haben, aber —
Ich will es meinen Leſern nicht laͤnger vorhalten. Soldat, dachte ich, um mein Leben in die Schanze zu ſchlagen, um ſo zu ſtehen, wie Urias, wiewohl wider Wiſſen und Willen, ſtand, als der Koͤnig David ſein Weib zur Wittwe machen wollte. Welch ei- ne Kluft indeßen war zwiſchen dieſem Gedan- ken, und der Ausfuͤhrung! welch eine Veſte war einzunehmen! Ich verſteckte mich, wie meine Leſer es ſelbſt wißen, mit dieſem Ge- danken unter die Baͤume im Garten, und ſtellte mich geflißentlich ſo, damit meine Mut- ter mich am wenigſten ſehen moͤchte, deren Lo-
ſung
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0021"n="13"/>
zu koͤnnen? Man ſehe ſich doch um, laͤßt<lb/>ſich denn der Geiſtliche nicht weit lieber bey<lb/>ſeinem Lehnspatron, als bey Abraham, Iſaak<lb/>
und Jakob, zu Tiſche bitten? Sich zerſtreu-<lb/>
en, heißt denn das <hirendition="#fr">leben?</hi> Es heißt, recht<lb/>
geflißentlich nicht leben, es heißt, das Leben<lb/>
fliehen, das ohne hin nicht leiden kann, daß<lb/>
man es ſauer anſieht. Zwar giebts Maͤnner,<lb/>
die, wie mein Vater, ein Rad gebrochen und<lb/>
im Wirthshauſe weilen, die, wie der Paſtor<lb/>
in — Droſſelfaͤnger, und wie der in L —<lb/>
Ehemaͤnner von Weibern ſind, die eine Lin-<lb/>
denkrankheit haben, aber —</p><lb/><p>Ich will es meinen Leſern nicht laͤnger<lb/>
vorhalten. <hirendition="#fr">Soldat,</hi> dachte ich, um mein<lb/>
Leben in die Schanze zu ſchlagen, um ſo zu<lb/>ſtehen, wie Urias, wiewohl wider Wiſſen und<lb/>
Willen, ſtand, als der Koͤnig David ſein<lb/>
Weib zur Wittwe machen wollte. Welch ei-<lb/>
ne Kluft indeßen war zwiſchen dieſem Gedan-<lb/>
ken, und der Ausfuͤhrung! welch eine Veſte<lb/>
war einzunehmen! Ich verſteckte mich, wie<lb/>
meine Leſer es ſelbſt wißen, mit dieſem Ge-<lb/>
danken unter die Baͤume im Garten, und<lb/>ſtellte mich geflißentlich ſo, damit meine Mut-<lb/>
ter mich am wenigſten ſehen moͤchte, deren Lo-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſung</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[13/0021]
zu koͤnnen? Man ſehe ſich doch um, laͤßt
ſich denn der Geiſtliche nicht weit lieber bey
ſeinem Lehnspatron, als bey Abraham, Iſaak
und Jakob, zu Tiſche bitten? Sich zerſtreu-
en, heißt denn das leben? Es heißt, recht
geflißentlich nicht leben, es heißt, das Leben
fliehen, das ohne hin nicht leiden kann, daß
man es ſauer anſieht. Zwar giebts Maͤnner,
die, wie mein Vater, ein Rad gebrochen und
im Wirthshauſe weilen, die, wie der Paſtor
in — Droſſelfaͤnger, und wie der in L —
Ehemaͤnner von Weibern ſind, die eine Lin-
denkrankheit haben, aber —
Ich will es meinen Leſern nicht laͤnger
vorhalten. Soldat, dachte ich, um mein
Leben in die Schanze zu ſchlagen, um ſo zu
ſtehen, wie Urias, wiewohl wider Wiſſen und
Willen, ſtand, als der Koͤnig David ſein
Weib zur Wittwe machen wollte. Welch ei-
ne Kluft indeßen war zwiſchen dieſem Gedan-
ken, und der Ausfuͤhrung! welch eine Veſte
war einzunehmen! Ich verſteckte mich, wie
meine Leſer es ſelbſt wißen, mit dieſem Ge-
danken unter die Baͤume im Garten, und
ſtellte mich geflißentlich ſo, damit meine Mut-
ter mich am wenigſten ſehen moͤchte, deren Lo-
ſung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/21>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.