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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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zu können? Man sehe sich doch um, läßt
sich denn der Geistliche nicht weit lieber bey
seinem Lehnspatron, als bey Abraham, Isaak
und Jakob, zu Tische bitten? Sich zerstreu-
en, heißt denn das leben? Es heißt, recht
geflißentlich nicht leben, es heißt, das Leben
fliehen, das ohne hin nicht leiden kann, daß
man es sauer ansieht. Zwar giebts Männer,
die, wie mein Vater, ein Rad gebrochen und
im Wirthshause weilen, die, wie der Pastor
in -- Drosselfänger, und wie der in L --
Ehemänner von Weibern sind, die eine Lin-
denkrankheit haben, aber --

Ich will es meinen Lesern nicht länger
vorhalten. Soldat, dachte ich, um mein
Leben in die Schanze zu schlagen, um so zu
stehen, wie Urias, wiewohl wider Wissen und
Willen, stand, als der König David sein
Weib zur Wittwe machen wollte. Welch ei-
ne Kluft indeßen war zwischen diesem Gedan-
ken, und der Ausführung! welch eine Veste
war einzunehmen! Ich versteckte mich, wie
meine Leser es selbst wißen, mit diesem Ge-
danken unter die Bäume im Garten, und
stellte mich geflißentlich so, damit meine Mut-
ter mich am wenigsten sehen möchte, deren Lo-

sung

zu koͤnnen? Man ſehe ſich doch um, laͤßt
ſich denn der Geiſtliche nicht weit lieber bey
ſeinem Lehnspatron, als bey Abraham, Iſaak
und Jakob, zu Tiſche bitten? Sich zerſtreu-
en, heißt denn das leben? Es heißt, recht
geflißentlich nicht leben, es heißt, das Leben
fliehen, das ohne hin nicht leiden kann, daß
man es ſauer anſieht. Zwar giebts Maͤnner,
die, wie mein Vater, ein Rad gebrochen und
im Wirthshauſe weilen, die, wie der Paſtor
in — Droſſelfaͤnger, und wie der in L —
Ehemaͤnner von Weibern ſind, die eine Lin-
denkrankheit haben, aber —

Ich will es meinen Leſern nicht laͤnger
vorhalten. Soldat, dachte ich, um mein
Leben in die Schanze zu ſchlagen, um ſo zu
ſtehen, wie Urias, wiewohl wider Wiſſen und
Willen, ſtand, als der Koͤnig David ſein
Weib zur Wittwe machen wollte. Welch ei-
ne Kluft indeßen war zwiſchen dieſem Gedan-
ken, und der Ausfuͤhrung! welch eine Veſte
war einzunehmen! Ich verſteckte mich, wie
meine Leſer es ſelbſt wißen, mit dieſem Ge-
danken unter die Baͤume im Garten, und
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[13/0021] zu koͤnnen? Man ſehe ſich doch um, laͤßt ſich denn der Geiſtliche nicht weit lieber bey ſeinem Lehnspatron, als bey Abraham, Iſaak und Jakob, zu Tiſche bitten? Sich zerſtreu- en, heißt denn das leben? Es heißt, recht geflißentlich nicht leben, es heißt, das Leben fliehen, das ohne hin nicht leiden kann, daß man es ſauer anſieht. Zwar giebts Maͤnner, die, wie mein Vater, ein Rad gebrochen und im Wirthshauſe weilen, die, wie der Paſtor in — Droſſelfaͤnger, und wie der in L — Ehemaͤnner von Weibern ſind, die eine Lin- denkrankheit haben, aber — Ich will es meinen Leſern nicht laͤnger vorhalten. Soldat, dachte ich, um mein Leben in die Schanze zu ſchlagen, um ſo zu ſtehen, wie Urias, wiewohl wider Wiſſen und Willen, ſtand, als der Koͤnig David ſein Weib zur Wittwe machen wollte. Welch ei- ne Kluft indeßen war zwiſchen dieſem Gedan- ken, und der Ausfuͤhrung! welch eine Veſte war einzunehmen! Ich verſteckte mich, wie meine Leſer es ſelbſt wißen, mit dieſem Ge- danken unter die Baͤume im Garten, und ſtellte mich geflißentlich ſo, damit meine Mut- ter mich am wenigſten ſehen moͤchte, deren Lo- ſung

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/21>, abgerufen am 21.11.2024.