Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Alles versteht sich in der Natur, und diese
Uebereinstimmung, diese Mitwürkung aller
moralischen und physikalischen Kräfte dieses
sichtbaren und unsichtbaren in der Natur, sind
die ungescholtensten Zeugen der göttlichen
Weisheit. Was schadet die anscheinende Un-
regelmäßigkeit? Ist sie es? und wenn sie es
in meinem Wirkungskreise ist, kann dieser
Mislaut nicht ein feiner Triller im Ganzen
seyn? -- Der Pastor redet so von der Har-
monie der Sphären, als hätt' er diese Geister-
musik gelernt, die anders klingt, als das
Waldhorn. Ich habe seinem feinen Gehör
viel zu danken; nichts lernt man leichter, als
hören.

Ich hänge von Gott ab, und drenge mich
recht, von ihm abzuhängen. Mein Gefühl
überzeugt mich, daß ich als ein Mitwesen in
der Reihe der erschaffenen Dinge, und zwar
unter Ihm, stehe. Da darf der Pastor nicht
gleich kreischen, er hätte als Monarchen-
freund die Schlacht gewonnen! Der liebe
Gott läßt einem jeden so seine Freyheit, als
man sie nur in Curland haben kann. Ich
bleibe in diesem Abhange noch immer ein cur-
scher Edelmann, kann thun und lassen was
ich will; allein da Gott ein lieber guter Gott

ist:

Alles verſteht ſich in der Natur, und dieſe
Uebereinſtimmung, dieſe Mitwuͤrkung aller
moraliſchen und phyſikaliſchen Kraͤfte dieſes
ſichtbaren und unſichtbaren in der Natur, ſind
die ungeſcholtenſten Zeugen der goͤttlichen
Weisheit. Was ſchadet die anſcheinende Un-
regelmaͤßigkeit? Iſt ſie es? und wenn ſie es
in meinem Wirkungskreiſe iſt, kann dieſer
Mislaut nicht ein feiner Triller im Ganzen
ſeyn? — Der Paſtor redet ſo von der Har-
monie der Sphaͤren, als haͤtt’ er dieſe Geiſter-
muſik gelernt, die anders klingt, als das
Waldhorn. Ich habe ſeinem feinen Gehoͤr
viel zu danken; nichts lernt man leichter, als
hoͤren.

Ich haͤnge von Gott ab, und drenge mich
recht, von ihm abzuhaͤngen. Mein Gefuͤhl
uͤberzeugt mich, daß ich als ein Mitweſen in
der Reihe der erſchaffenen Dinge, und zwar
unter Ihm, ſtehe. Da darf der Paſtor nicht
gleich kreiſchen, er haͤtte als Monarchen-
freund die Schlacht gewonnen! Der liebe
Gott laͤßt einem jeden ſo ſeine Freyheit, als
man ſie nur in Curland haben kann. Ich
bleibe in dieſem Abhange noch immer ein cur-
ſcher Edelmann, kann thun und laſſen was
ich will; allein da Gott ein lieber guter Gott

iſt:
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0211" n="205"/>
        <p>Alles ver&#x017F;teht &#x017F;ich in der Natur, und die&#x017F;e<lb/>
Ueberein&#x017F;timmung, die&#x017F;e Mitwu&#x0364;rkung aller<lb/>
morali&#x017F;chen und phy&#x017F;ikali&#x017F;chen Kra&#x0364;fte die&#x017F;es<lb/>
&#x017F;ichtbaren und un&#x017F;ichtbaren in der Natur, &#x017F;ind<lb/>
die unge&#x017F;cholten&#x017F;ten Zeugen der go&#x0364;ttlichen<lb/>
Weisheit. Was &#x017F;chadet die an&#x017F;cheinende Un-<lb/>
regelma&#x0364;ßigkeit? I&#x017F;t &#x017F;ie es? und wenn &#x017F;ie es<lb/>
in meinem Wirkungskrei&#x017F;e i&#x017F;t, kann die&#x017F;er<lb/>
Mislaut nicht ein feiner Triller im Ganzen<lb/>
&#x017F;eyn? &#x2014; Der Pa&#x017F;tor redet &#x017F;o von der Har-<lb/>
monie der Spha&#x0364;ren, als ha&#x0364;tt&#x2019; er die&#x017F;e Gei&#x017F;ter-<lb/>
mu&#x017F;ik gelernt, die anders klingt, als das<lb/>
Waldhorn. Ich habe &#x017F;einem feinen Geho&#x0364;r<lb/>
viel zu danken; nichts lernt man leichter, als<lb/>
ho&#x0364;ren.</p><lb/>
        <p>Ich ha&#x0364;nge von Gott ab, und drenge mich<lb/>
recht, von ihm abzuha&#x0364;ngen. Mein Gefu&#x0364;hl<lb/>
u&#x0364;berzeugt mich, daß ich als ein Mitwe&#x017F;en in<lb/>
der Reihe der er&#x017F;chaffenen Dinge, und zwar<lb/>
unter Ihm, &#x017F;tehe. Da darf der Pa&#x017F;tor nicht<lb/>
gleich krei&#x017F;chen, er ha&#x0364;tte als Monarchen-<lb/>
freund die Schlacht gewonnen! Der liebe<lb/>
Gott la&#x0364;ßt einem jeden &#x017F;o &#x017F;eine Freyheit, als<lb/>
man &#x017F;ie nur in Curland haben kann. Ich<lb/>
bleibe in die&#x017F;em Abhange noch immer ein cur-<lb/>
&#x017F;cher Edelmann, kann thun und la&#x017F;&#x017F;en was<lb/>
ich will; allein da Gott ein lieber guter Gott<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t:</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0211] Alles verſteht ſich in der Natur, und dieſe Uebereinſtimmung, dieſe Mitwuͤrkung aller moraliſchen und phyſikaliſchen Kraͤfte dieſes ſichtbaren und unſichtbaren in der Natur, ſind die ungeſcholtenſten Zeugen der goͤttlichen Weisheit. Was ſchadet die anſcheinende Un- regelmaͤßigkeit? Iſt ſie es? und wenn ſie es in meinem Wirkungskreiſe iſt, kann dieſer Mislaut nicht ein feiner Triller im Ganzen ſeyn? — Der Paſtor redet ſo von der Har- monie der Sphaͤren, als haͤtt’ er dieſe Geiſter- muſik gelernt, die anders klingt, als das Waldhorn. Ich habe ſeinem feinen Gehoͤr viel zu danken; nichts lernt man leichter, als hoͤren. Ich haͤnge von Gott ab, und drenge mich recht, von ihm abzuhaͤngen. Mein Gefuͤhl uͤberzeugt mich, daß ich als ein Mitweſen in der Reihe der erſchaffenen Dinge, und zwar unter Ihm, ſtehe. Da darf der Paſtor nicht gleich kreiſchen, er haͤtte als Monarchen- freund die Schlacht gewonnen! Der liebe Gott laͤßt einem jeden ſo ſeine Freyheit, als man ſie nur in Curland haben kann. Ich bleibe in dieſem Abhange noch immer ein cur- ſcher Edelmann, kann thun und laſſen was ich will; allein da Gott ein lieber guter Gott iſt:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/211
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/211>, abgerufen am 23.11.2024.