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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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zu jedermanns Achtung, sonderlich denen
daran gelegen, aufknüpfet. Da hieng ein
ganzer Codex (meine Herren nannten es so)
am Nagel, und es gefiel meinen Herren die
Art, den Codex an den Nagel zu hängen,
worüber der Wirth selbst lachte, da man ihn
darauf brachte. Sein Schwager, der das
Bier zu versuchen gekommen war, hatte noch
einen tückischern Einfall, den ich Ew. Wohl-
ehrwürden mittheilen will. Mein adelicher
Herr that die Frage: Nun ihr haltet doch
diese heilsamen Verordnungen, oder von
Gottes Gnadens, wie ihr sie nennt? Jun-
ger Herr! Einer hält sie im ganzen Dorf.
Gott verzeih mir meine schwere Sünden!
Da fiel mir der Jüngling ein, der alle zehn
Gebote gehalten hatte von seiner Jugend an.
Ha! dacht' ich, das wird wohl so ein Enkel-
chen dieses Jünglings seyn und freute mich,
daß beyde Herren fragten: wer? denn hät-
ten sie nicht gefragt; so hätt ichs gethan.
Wer? Der Nagel, antwortete der Bauer,
und sah nach oben, als ob seine Antwort auch
auch an den Nagel hienge.

Aus dem nemlichen Faß des jüdischen
Diogenes. Nicht wahr? ein besondrer Ge-
schmack drinn! Es schmeckt nach dem Faß --

Hier

zu jedermanns Achtung, ſonderlich denen
daran gelegen, aufknuͤpfet. Da hieng ein
ganzer Codex (meine Herren nannten es ſo)
am Nagel, und es gefiel meinen Herren die
Art, den Codex an den Nagel zu haͤngen,
woruͤber der Wirth ſelbſt lachte, da man ihn
darauf brachte. Sein Schwager, der das
Bier zu verſuchen gekommen war, hatte noch
einen tuͤckiſchern Einfall, den ich Ew. Wohl-
ehrwuͤrden mittheilen will. Mein adelicher
Herr that die Frage: Nun ihr haltet doch
dieſe heilſamen Verordnungen, oder von
Gottes Gnadens, wie ihr ſie nennt? Jun-
ger Herr! Einer haͤlt ſie im ganzen Dorf.
Gott verzeih mir meine ſchwere Suͤnden!
Da fiel mir der Juͤngling ein, der alle zehn
Gebote gehalten hatte von ſeiner Jugend an.
Ha! dacht’ ich, das wird wohl ſo ein Enkel-
chen dieſes Juͤnglings ſeyn und freute mich,
daß beyde Herren fragten: wer? denn haͤt-
ten ſie nicht gefragt; ſo haͤtt ichs gethan.
Wer? Der Nagel, antwortete der Bauer,
und ſah nach oben, als ob ſeine Antwort auch
auch an den Nagel hienge.

Aus dem nemlichen Faß des juͤdiſchen
Diogenes. Nicht wahr? ein beſondrer Ge-
ſchmack drinn! Es ſchmeckt nach dem Faß —

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[308/0314] zu jedermanns Achtung, ſonderlich denen daran gelegen, aufknuͤpfet. Da hieng ein ganzer Codex (meine Herren nannten es ſo) am Nagel, und es gefiel meinen Herren die Art, den Codex an den Nagel zu haͤngen, woruͤber der Wirth ſelbſt lachte, da man ihn darauf brachte. Sein Schwager, der das Bier zu verſuchen gekommen war, hatte noch einen tuͤckiſchern Einfall, den ich Ew. Wohl- ehrwuͤrden mittheilen will. Mein adelicher Herr that die Frage: Nun ihr haltet doch dieſe heilſamen Verordnungen, oder von Gottes Gnadens, wie ihr ſie nennt? Jun- ger Herr! Einer haͤlt ſie im ganzen Dorf. Gott verzeih mir meine ſchwere Suͤnden! Da fiel mir der Juͤngling ein, der alle zehn Gebote gehalten hatte von ſeiner Jugend an. Ha! dacht’ ich, das wird wohl ſo ein Enkel- chen dieſes Juͤnglings ſeyn und freute mich, daß beyde Herren fragten: wer? denn haͤt- ten ſie nicht gefragt; ſo haͤtt ichs gethan. Wer? Der Nagel, antwortete der Bauer, und ſah nach oben, als ob ſeine Antwort auch auch an den Nagel hienge. Aus dem nemlichen Faß des juͤdiſchen Diogenes. Nicht wahr? ein beſondrer Ge- ſchmack drinn! Es ſchmeckt nach dem Faß — Hier

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/314>, abgerufen am 25.11.2024.