Ein Haus, pflegte mein Vater zu sagen, das lange Niemand bewohnt hat, verliert ein gewisses Leben! -- Was nur bewohnt ist, lebt, oder ist belebt. Es ist ihm ein Leben einge- haucht. -- So gehts mit den Wissenschaften, sagte Herr von G --, da ich bey einer Gelegen- heit die väterliche Bemerkung mittheilte. Ich freue mich, daß ich auf ihn komme, um noch anführen zu können, daß ich auch in Göttin- gen in seine Seele studirte. Unser Wirth hatte keinen Taubenschlag, am wenigsten ein geschmackreich gebautes Hünerhäuschen, kei- nen Garten; und wie konnte sich Herr v. G -- anders helfen, als daß er sich drey Hunde zu- legte, die er Argos hieß? Sie hatten andere Namen; er aber firmelte sie. Ich will nichts vom christlichen Namen Satan sagen, fieng er an, wie kann aber ein Hund Packan heis- sen, wenn man in Königsberg vom Großva- ter examinirt ist? Homer! ich kann dich anre- den, denn du lebst, du bist unsterblich! -- Wie ists möglich, dir ein beßres Opfer, selbst in christlichen Zeiten, zu bringen? Die dir an- grenzende Nachwelt schlug sich deines Ge- burtsorts halber; ein curscher Edelmann nennt seine Hunde Argos! Wer es empfinden kann, wie schön es sey, daß ein Buch aufs Le-
ben
Ein Haus, pflegte mein Vater zu ſagen, das lange Niemand bewohnt hat, verliert ein gewiſſes Leben! — Was nur bewohnt iſt, lebt, oder iſt belebt. Es iſt ihm ein Leben einge- haucht. — So gehts mit den Wiſſenſchaften, ſagte Herr von G —, da ich bey einer Gelegen- heit die vaͤterliche Bemerkung mittheilte. Ich freue mich, daß ich auf ihn komme, um noch anfuͤhren zu koͤnnen, daß ich auch in Goͤttin- gen in ſeine Seele ſtudirte. Unſer Wirth hatte keinen Taubenſchlag, am wenigſten ein geſchmackreich gebautes Huͤnerhaͤuschen, kei- nen Garten; und wie konnte ſich Herr v. G — anders helfen, als daß er ſich drey Hunde zu- legte, die er Argos hieß? Sie hatten andere Namen; er aber firmelte ſie. Ich will nichts vom chriſtlichen Namen Satan ſagen, fieng er an, wie kann aber ein Hund Packan heiſ- ſen, wenn man in Koͤnigsberg vom Großva- ter examinirt iſt? Homer! ich kann dich anre- den, denn du lebſt, du biſt unſterblich! — Wie iſts moͤglich, dir ein beßres Opfer, ſelbſt in chriſtlichen Zeiten, zu bringen? Die dir an- grenzende Nachwelt ſchlug ſich deines Ge- burtsorts halber; ein curſcher Edelmann nennt ſeine Hunde Argos! Wer es empfinden kann, wie ſchoͤn es ſey, daß ein Buch aufs Le-
ben
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0032"n="26"/><p>Ein Haus, pflegte mein Vater zu ſagen,<lb/>
das lange Niemand bewohnt hat, verliert ein<lb/>
gewiſſes Leben! — Was nur bewohnt iſt, lebt,<lb/>
oder iſt belebt. Es iſt ihm ein Leben einge-<lb/>
haucht. — So gehts mit den Wiſſenſchaften,<lb/>ſagte Herr von G —, da ich bey einer Gelegen-<lb/>
heit die vaͤterliche Bemerkung mittheilte. Ich<lb/>
freue mich, daß ich auf ihn komme, um noch<lb/>
anfuͤhren zu koͤnnen, daß ich auch in <hirendition="#fr">Goͤttin-<lb/>
gen</hi> in ſeine Seele ſtudirte. Unſer Wirth<lb/>
hatte keinen Taubenſchlag, am wenigſten ein<lb/>
geſchmackreich gebautes Huͤnerhaͤuschen, kei-<lb/>
nen Garten; und wie konnte ſich Herr v. G —<lb/>
anders helfen, als daß er ſich drey Hunde zu-<lb/>
legte, die er Argos hieß? Sie hatten andere<lb/>
Namen; er aber firmelte ſie. Ich will nichts<lb/>
vom chriſtlichen Namen Satan ſagen, fieng<lb/>
er an, wie kann aber ein Hund Packan heiſ-<lb/>ſen, wenn man in Koͤnigsberg vom Großva-<lb/>
ter examinirt iſt? Homer! ich kann dich anre-<lb/>
den, denn du lebſt, du biſt unſterblich! —<lb/>
Wie iſts moͤglich, dir ein beßres Opfer, ſelbſt<lb/>
in chriſtlichen Zeiten, zu bringen? Die dir an-<lb/>
grenzende Nachwelt ſchlug ſich deines Ge-<lb/>
burtsorts halber; ein curſcher Edelmann<lb/>
nennt ſeine Hunde Argos! Wer es empfinden<lb/>
kann, wie ſchoͤn es ſey, daß ein Buch aufs Le-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ben</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[26/0032]
Ein Haus, pflegte mein Vater zu ſagen,
das lange Niemand bewohnt hat, verliert ein
gewiſſes Leben! — Was nur bewohnt iſt, lebt,
oder iſt belebt. Es iſt ihm ein Leben einge-
haucht. — So gehts mit den Wiſſenſchaften,
ſagte Herr von G —, da ich bey einer Gelegen-
heit die vaͤterliche Bemerkung mittheilte. Ich
freue mich, daß ich auf ihn komme, um noch
anfuͤhren zu koͤnnen, daß ich auch in Goͤttin-
gen in ſeine Seele ſtudirte. Unſer Wirth
hatte keinen Taubenſchlag, am wenigſten ein
geſchmackreich gebautes Huͤnerhaͤuschen, kei-
nen Garten; und wie konnte ſich Herr v. G —
anders helfen, als daß er ſich drey Hunde zu-
legte, die er Argos hieß? Sie hatten andere
Namen; er aber firmelte ſie. Ich will nichts
vom chriſtlichen Namen Satan ſagen, fieng
er an, wie kann aber ein Hund Packan heiſ-
ſen, wenn man in Koͤnigsberg vom Großva-
ter examinirt iſt? Homer! ich kann dich anre-
den, denn du lebſt, du biſt unſterblich! —
Wie iſts moͤglich, dir ein beßres Opfer, ſelbſt
in chriſtlichen Zeiten, zu bringen? Die dir an-
grenzende Nachwelt ſchlug ſich deines Ge-
burtsorts halber; ein curſcher Edelmann
nennt ſeine Hunde Argos! Wer es empfinden
kann, wie ſchoͤn es ſey, daß ein Buch aufs Le-
ben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/32>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.