Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Träume! Freund! Wir wollen nicht im
Schlaf reden.

Ists Schlaf, ists Traum? Wie gern
gäb ich, wie der Astronom, den Tag, um
diese Nacht! Glauben Sie nicht, Freund!
daß einmahl eine Heerde und ein Hirte seyn
wird? daß die Böcke ausgestossen, und die
Lämmer gesammlet werden können? -- Es
gehen viel Lämmer in einen Stall! und in
Wahrheit, die Erde ist so ein kleiner Stall
eben nicht, daß nicht jedes Paar sein König-
reich, sein Haus und Hof, seinen Acker ha-
ben und sich begnügen solte mit dem, was da
ist! Wir haben nichts in die Welt gebracht,
und ist gewiß, daß wir auch nichts heraus-
nehmen werden. Der Mensch, wenn er todt
ist, hat mit wenig Spannen Erde genug, und
wenn er lebt, schwebt und ist, braucht er ein
Paar Spannen drüber. Man solte nach
Spannen messen. Die verdammten Meilen,
sie mögen deutsche oder englische, oder --
seyn, so sind es Wege, die den Menschen aus
dem Menschen hinausführen. Die Solda-
ten sind eigentlich die Meilenzeiger. Sie ha-
ben alles Unglück in die Welt gebracht, sie
erhalten es und werden es so lang erhalten,
bis die Menschen so klug werden, daß sie kein

Herz

Traͤume! Freund! Wir wollen nicht im
Schlaf reden.

Iſts Schlaf, iſts Traum? Wie gern
gaͤb ich, wie der Aſtronom, den Tag, um
dieſe Nacht! Glauben Sie nicht, Freund!
daß einmahl eine Heerde und ein Hirte ſeyn
wird? daß die Boͤcke ausgeſtoſſen, und die
Laͤmmer geſammlet werden koͤnnen? — Es
gehen viel Laͤmmer in einen Stall! und in
Wahrheit, die Erde iſt ſo ein kleiner Stall
eben nicht, daß nicht jedes Paar ſein Koͤnig-
reich, ſein Haus und Hof, ſeinen Acker ha-
ben und ſich begnuͤgen ſolte mit dem, was da
iſt! Wir haben nichts in die Welt gebracht,
und iſt gewiß, daß wir auch nichts heraus-
nehmen werden. Der Menſch, wenn er todt
iſt, hat mit wenig Spannen Erde genug, und
wenn er lebt, ſchwebt und iſt, braucht er ein
Paar Spannen druͤber. Man ſolte nach
Spannen meſſen. Die verdammten Meilen,
ſie moͤgen deutſche oder engliſche, oder —
ſeyn, ſo ſind es Wege, die den Menſchen aus
dem Menſchen hinausfuͤhren. Die Solda-
ten ſind eigentlich die Meilenzeiger. Sie ha-
ben alles Ungluͤck in die Welt gebracht, ſie
erhalten es und werden es ſo lang erhalten,
bis die Menſchen ſo klug werden, daß ſie kein

Herz
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0322" n="316"/>
        <p>Tra&#x0364;ume! Freund! Wir wollen nicht im<lb/>
Schlaf reden.</p><lb/>
        <p>I&#x017F;ts Schlaf, i&#x017F;ts Traum? Wie gern<lb/>
ga&#x0364;b ich, wie der A&#x017F;tronom, den Tag, um<lb/>
die&#x017F;e Nacht! Glauben Sie nicht, Freund!<lb/>
daß einmahl eine Heerde und ein Hirte &#x017F;eyn<lb/>
wird? daß die Bo&#x0364;cke ausge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en, und die<lb/>
La&#x0364;mmer ge&#x017F;ammlet werden ko&#x0364;nnen? &#x2014; Es<lb/>
gehen viel La&#x0364;mmer in einen Stall! und in<lb/>
Wahrheit, die Erde i&#x017F;t &#x017F;o ein kleiner Stall<lb/>
eben nicht, daß nicht jedes Paar &#x017F;ein Ko&#x0364;nig-<lb/>
reich, &#x017F;ein Haus und Hof, &#x017F;einen Acker ha-<lb/>
ben und &#x017F;ich begnu&#x0364;gen &#x017F;olte mit dem, was da<lb/>
i&#x017F;t! Wir haben nichts in die Welt gebracht,<lb/>
und i&#x017F;t gewiß, daß wir auch nichts heraus-<lb/>
nehmen werden. Der Men&#x017F;ch, wenn er todt<lb/>
i&#x017F;t, hat mit wenig Spannen Erde genug, und<lb/>
wenn er lebt, &#x017F;chwebt und i&#x017F;t, braucht er ein<lb/>
Paar Spannen dru&#x0364;ber. Man &#x017F;olte nach<lb/>
Spannen me&#x017F;&#x017F;en. Die verdammten Meilen,<lb/>
&#x017F;ie mo&#x0364;gen deut&#x017F;che oder engli&#x017F;che, oder &#x2014;<lb/>
&#x017F;eyn, &#x017F;o &#x017F;ind es Wege, die den Men&#x017F;chen aus<lb/>
dem Men&#x017F;chen hinausfu&#x0364;hren. Die Solda-<lb/>
ten &#x017F;ind eigentlich die Meilenzeiger. Sie ha-<lb/>
ben alles Unglu&#x0364;ck in die Welt gebracht, &#x017F;ie<lb/>
erhalten es und werden es &#x017F;o lang erhalten,<lb/>
bis die Men&#x017F;chen &#x017F;o klug werden, daß &#x017F;ie kein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Herz</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0322] Traͤume! Freund! Wir wollen nicht im Schlaf reden. Iſts Schlaf, iſts Traum? Wie gern gaͤb ich, wie der Aſtronom, den Tag, um dieſe Nacht! Glauben Sie nicht, Freund! daß einmahl eine Heerde und ein Hirte ſeyn wird? daß die Boͤcke ausgeſtoſſen, und die Laͤmmer geſammlet werden koͤnnen? — Es gehen viel Laͤmmer in einen Stall! und in Wahrheit, die Erde iſt ſo ein kleiner Stall eben nicht, daß nicht jedes Paar ſein Koͤnig- reich, ſein Haus und Hof, ſeinen Acker ha- ben und ſich begnuͤgen ſolte mit dem, was da iſt! Wir haben nichts in die Welt gebracht, und iſt gewiß, daß wir auch nichts heraus- nehmen werden. Der Menſch, wenn er todt iſt, hat mit wenig Spannen Erde genug, und wenn er lebt, ſchwebt und iſt, braucht er ein Paar Spannen druͤber. Man ſolte nach Spannen meſſen. Die verdammten Meilen, ſie moͤgen deutſche oder engliſche, oder — ſeyn, ſo ſind es Wege, die den Menſchen aus dem Menſchen hinausfuͤhren. Die Solda- ten ſind eigentlich die Meilenzeiger. Sie ha- ben alles Ungluͤck in die Welt gebracht, ſie erhalten es und werden es ſo lang erhalten, bis die Menſchen ſo klug werden, daß ſie kein Herz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/322
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/322>, abgerufen am 25.11.2024.