thut es denn dem Manne, wenn seine Frau in so etwas unschuldiges verliebt ist -- Zehnmal versicherte sie mich, wahre Freundschaft daure noch, wenn gleich alle Kronen Ur- nen worden! -- und alle Worte Gedan- ken, wolt ich schon sagen! -- Ihrem Manne machte das Tulpenbeet seiner Frau, in zierlichen Ausdrücken dergestalt, keine ge- ringe Freude, obgleich er selbst bey seiner Weise blieb, geradesweges aufs Dach zu steigen. Freylich mußte das Dach nicht zu hoch seyn -- da Benjamin Darius origete- nus auf schwachen Füßen stand.
O der wunderbaren Vermischung der Denk- und Handlungsart der Menschen! und doch wieder so allzusammen eins, daß man weiter gehen könnte, als meine Mutter. Nicht blos Mann und Weib, sondern alle Menschen haben einen gemeinschaftlichen Zug -- Alle etwas vom Vater Adam und Mutter Eva, denen, sie mögen gewesen seyn, wie sie wollen, doch Kindespflicht eignet und gebühret.
Amalia war mit dem Krämer ehelich verbunden, und glücklich genug gewesen, fünf Kinder mit ihm zu erzielen. Junker Gotthard hatte sie nicht besucht, worüber sie
sich
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thut es denn dem Manne, wenn ſeine Frau in ſo etwas unſchuldiges verliebt iſt — Zehnmal verſicherte ſie mich, wahre Freundſchaft daure noch, wenn gleich alle Kronen Ur- nen worden! — und alle Worte Gedan- ken, wolt ich ſchon ſagen! — Ihrem Manne machte das Tulpenbeet ſeiner Frau, in zierlichen Ausdruͤcken dergeſtalt, keine ge- ringe Freude, obgleich er ſelbſt bey ſeiner Weiſe blieb, geradesweges aufs Dach zu ſteigen. Freylich mußte das Dach nicht zu hoch ſeyn — da Benjamin Darius origete- nus auf ſchwachen Fuͤßen ſtand.
O der wunderbaren Vermiſchung der Denk- und Handlungsart der Menſchen! und doch wieder ſo allzuſammen eins, daß man weiter gehen koͤnnte, als meine Mutter. Nicht blos Mann und Weib, ſondern alle Menſchen haben einen gemeinſchaftlichen Zug — Alle etwas vom Vater Adam und Mutter Eva, denen, ſie moͤgen geweſen ſeyn, wie ſie wollen, doch Kindespflicht eignet und gebuͤhret.
Amalia war mit dem Kraͤmer ehelich verbunden, und gluͤcklich genug geweſen, fuͤnf Kinder mit ihm zu erzielen. Junker Gotthard hatte ſie nicht beſucht, woruͤber ſie
ſich
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thut es denn dem Manne, wenn ſeine Frau in
ſo etwas unſchuldiges verliebt iſt — Zehnmal
verſicherte ſie mich, wahre Freundſchaft
daure noch, wenn gleich alle Kronen Ur-
nen worden! — und alle Worte Gedan-
ken, wolt ich ſchon ſagen! — Ihrem
Manne machte das Tulpenbeet ſeiner Frau,
in zierlichen Ausdruͤcken dergeſtalt, keine ge-
ringe Freude, obgleich er ſelbſt bey ſeiner
Weiſe blieb, geradesweges aufs Dach zu
ſteigen. Freylich mußte das Dach nicht zu
hoch ſeyn — da Benjamin Darius origete-
nus auf ſchwachen Fuͤßen ſtand.
O der wunderbaren Vermiſchung der
Denk- und Handlungsart der Menſchen! und
doch wieder ſo allzuſammen eins, daß man
weiter gehen koͤnnte, als meine Mutter.
Nicht blos Mann und Weib, ſondern alle
Menſchen haben einen gemeinſchaftlichen
Zug — Alle etwas vom Vater Adam und
Mutter Eva, denen, ſie moͤgen geweſen ſeyn,
wie ſie wollen, doch Kindespflicht eignet und
gebuͤhret.
Amalia war mit dem Kraͤmer ehelich
verbunden, und gluͤcklich genug geweſen,
fuͤnf Kinder mit ihm zu erzielen. Junker
Gotthard hatte ſie nicht beſucht, woruͤber ſie
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/397>, abgerufen am 22.11.2024.
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