Man sagt: mein Röschen! Niemand mein Nelkchen, meine Lilie! meine Hyacin- the! Da sieht man doch, daß jedes Ding sein Hochwohl und Hochedelgebohren hat, wenn man es nur nimmt, wie es zu nehmen ist! --
Möchten Sie doch, liebes Tinchen, glück- lich in ihrer Ehe seyn! Wer sie nicht auf Händen trägt, verdient keine Hand zu ha- ben! -- Junker Gotthard hat zwey Hän- de. --
Wir standen von der Tafel auf. Ich sprach mit Tinchen; allein ohne daß sie und ich an ihren morgenden Verlobungstag dachten! --
Wie kam das? Um vieles hätt ich sie nicht daran erinnern können!
Herr v. W -- hatte die Gewohnheit, alle Abend mit seinen Leuten eine Betstunde zu halten. Es war, wie ers nannte, ein schuldiger Gottesdienst! Die Frau v. W -- sagte mir diese Gewohnheit mit einer so herz- lichen Art, daß ich diese Abendstunde um vie- les nicht verlieren wolte. Herr v. W -- legt es, da die Betglocke geschlagen, so ge- flissentlich an, mich eben so gern herauszu- complimentiren, als ich bleiben wolte. End-
lich
Man ſagt: mein Roͤschen! Niemand mein Nelkchen, meine Lilie! meine Hyacin- the! Da ſieht man doch, daß jedes Ding ſein Hochwohl und Hochedelgebohren hat, wenn man es nur nimmt, wie es zu nehmen iſt! —
Moͤchten Sie doch, liebes Tinchen, gluͤck- lich in ihrer Ehe ſeyn! Wer ſie nicht auf Haͤnden traͤgt, verdient keine Hand zu ha- ben! — Junker Gotthard hat zwey Haͤn- de. —
Wir ſtanden von der Tafel auf. Ich ſprach mit Tinchen; allein ohne daß ſie und ich an ihren morgenden Verlobungstag dachten! —
Wie kam das? Um vieles haͤtt ich ſie nicht daran erinnern koͤnnen!
Herr v. W — hatte die Gewohnheit, alle Abend mit ſeinen Leuten eine Betſtunde zu halten. Es war, wie ers nannte, ein ſchuldiger Gottesdienſt! Die Frau v. W — ſagte mir dieſe Gewohnheit mit einer ſo herz- lichen Art, daß ich dieſe Abendſtunde um vie- les nicht verlieren wolte. Herr v. W — legt es, da die Betglocke geſchlagen, ſo ge- fliſſentlich an, mich eben ſo gern herauszu- complimentiren, als ich bleiben wolte. End-
lich
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Man ſagt: mein Roͤschen! Niemand
mein Nelkchen, meine Lilie! meine Hyacin-
the! Da ſieht man doch, daß jedes Ding
ſein Hochwohl und Hochedelgebohren hat,
wenn man es nur nimmt, wie es zu nehmen
iſt! —
Moͤchten Sie doch, liebes Tinchen, gluͤck-
lich in ihrer Ehe ſeyn! Wer ſie nicht auf
Haͤnden traͤgt, verdient keine Hand zu ha-
ben! — Junker Gotthard hat zwey Haͤn-
de. —
Wir ſtanden von der Tafel auf. Ich
ſprach mit Tinchen; allein ohne daß ſie und
ich an ihren morgenden Verlobungstag
dachten! —
Wie kam das? Um vieles haͤtt ich ſie nicht
daran erinnern koͤnnen!
Herr v. W — hatte die Gewohnheit,
alle Abend mit ſeinen Leuten eine Betſtunde
zu halten. Es war, wie ers nannte, ein
ſchuldiger Gottesdienſt! Die Frau v. W —
ſagte mir dieſe Gewohnheit mit einer ſo herz-
lichen Art, daß ich dieſe Abendſtunde um vie-
les nicht verlieren wolte. Herr v. W —
legt es, da die Betglocke geſchlagen, ſo ge-
fliſſentlich an, mich eben ſo gern herauszu-
complimentiren, als ich bleiben wolte. End-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/460>, abgerufen am 27.11.2024.
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