Nun meine feyerlichste Bitte, mein Be- schwur! Ich bitte dich vor Gott und nach Gott! Ich beschwöre dich bey allem, was heilig ist, im Himmel und auf Erden, und nach diesem hohen Schwur bey mei- nem letzten, letzten Seufzer, bey meinem letzten Todesstoß, bey meinem letzten war- men Hauch -- dich zu seiner Zeit ehelich zu verbinden. Gott segne dein Weib und die Kinder, die er dir schenken wird! -- Wie mir dabey war, weiß Gott! ich konnte kein Wort mehr lesen. Schnell legt ich mich nieder, um keine Zeit zu versäumen. Als ob ich nicht schon zum Voraus wußte, ich würde nach dieser Stelle keine Stunde schla- fen. Ich schlief würklich keine Stunde, und doch hatte ich ausgeschlafen! Mein Ent- schluß war, alles dem Ungefehr zu überlas- sen, mich nicht um Tinen zu bewerben; allein ihrer Hand auch nicht auszuweichen. Daß mir Tine schon zuvor nicht gleichgültig gewe- sen, läugn' ich nicht, mich aber so gegen sie zu nehmen, war das Werk dieses Abends, welches der in mir würkte, der Wollen und Vollbringen giebt, nach seinem Wohlge- fallen.
Ein
Nun meine feyerlichſte Bitte, mein Be- ſchwur! Ich bitte dich vor Gott und nach Gott! Ich beſchwoͤre dich bey allem, was heilig iſt, im Himmel und auf Erden, und nach dieſem hohen Schwur bey mei- nem letzten, letzten Seufzer, bey meinem letzten Todesſtoß, bey meinem letzten war- men Hauch — dich zu ſeiner Zeit ehelich zu verbinden. Gott ſegne dein Weib und die Kinder, die er dir ſchenken wird! — Wie mir dabey war, weiß Gott! ich konnte kein Wort mehr leſen. Schnell legt ich mich nieder, um keine Zeit zu verſaͤumen. Als ob ich nicht ſchon zum Voraus wußte, ich wuͤrde nach dieſer Stelle keine Stunde ſchla- fen. Ich ſchlief wuͤrklich keine Stunde, und doch hatte ich ausgeſchlafen! Mein Ent- ſchluß war, alles dem Ungefehr zu uͤberlaſ- ſen, mich nicht um Tinen zu bewerben; allein ihrer Hand auch nicht auszuweichen. Daß mir Tine ſchon zuvor nicht gleichguͤltig gewe- ſen, laͤugn’ ich nicht, mich aber ſo gegen ſie zu nehmen, war das Werk dieſes Abends, welches der in mir wuͤrkte, der Wollen und Vollbringen giebt, nach ſeinem Wohlge- fallen.
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Nun meine feyerlichſte Bitte, mein Be-
ſchwur! Ich bitte dich vor Gott und
nach Gott! Ich beſchwoͤre dich bey allem,
was heilig iſt, im Himmel und auf Erden,
und nach dieſem hohen Schwur bey mei-
nem letzten, letzten Seufzer, bey meinem
letzten Todesſtoß, bey meinem letzten war-
men Hauch — dich zu ſeiner Zeit ehelich
zu verbinden. Gott ſegne dein Weib und
die Kinder, die er dir ſchenken wird! —
Wie mir dabey war, weiß Gott! ich konnte
kein Wort mehr leſen. Schnell legt ich mich
nieder, um keine Zeit zu verſaͤumen. Als
ob ich nicht ſchon zum Voraus wußte, ich
wuͤrde nach dieſer Stelle keine Stunde ſchla-
fen. Ich ſchlief wuͤrklich keine Stunde, und
doch hatte ich ausgeſchlafen! Mein Ent-
ſchluß war, alles dem Ungefehr zu uͤberlaſ-
ſen, mich nicht um Tinen zu bewerben; allein
ihrer Hand auch nicht auszuweichen. Daß
mir Tine ſchon zuvor nicht gleichguͤltig gewe-
ſen, laͤugn’ ich nicht, mich aber ſo gegen ſie
zu nehmen, war das Werk dieſes Abends,
welches der in mir wuͤrkte, der Wollen und
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/492>, abgerufen am 30.11.2024.
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