Ich sprach die gute Mutter, die keinen Schatten von Bedenklichkeit fand; allein sie wünschte, daß ich mich an ihren Mann, oder, wie sie sagte, an Herrn v. W -- wenden möchte! --
Ich thats, und merkte, daß er sich herz- lich freute, eine Gelegenheit zu haben, von seiner Complimenten-Sammlung Gebrauch zu machen. Nachdem ich aber alles sichtete, fand sich unendlich mehr Spreu als Körner, und was noch Korn war, lief auf die wohl- hergebrachte Landesmanier heraus, daß man ein Vierteljahr seiner Geliebten die Aufwar- tung machen, und nach so mancherley Bey- urteln endlich die Definitivsentenz abwarten müße. Hiezu kam, daß Herr v. K -- Doch! warum soll ich all die Umwege bemerken? In diesen Schattenriß kann jeder die Stri- che machen, ohne den Herrn v. K -- gekannt zu haben. Da darf man nur den Menschen kennen, und dies Zutrauen hab ich zur Zeit- welt, und weit, weit zuversichtlicher zur Nachwelt --
Wer will nicht das haben, wonach er ei- nen andern ringen sieht? Wer hätte nicht
ein
H h 4
Gottlob!
An Herrn v. W — dacht ich nicht —
Ich ſprach die gute Mutter, die keinen Schatten von Bedenklichkeit fand; allein ſie wuͤnſchte, daß ich mich an ihren Mann, oder, wie ſie ſagte, an Herrn v. W — wenden moͤchte! —
Ich thats, und merkte, daß er ſich herz- lich freute, eine Gelegenheit zu haben, von ſeiner Complimenten-Sammlung Gebrauch zu machen. Nachdem ich aber alles ſichtete, fand ſich unendlich mehr Spreu als Koͤrner, und was noch Korn war, lief auf die wohl- hergebrachte Landesmanier heraus, daß man ein Vierteljahr ſeiner Geliebten die Aufwar- tung machen, und nach ſo mancherley Bey- urteln endlich die Definitivſentenz abwarten muͤße. Hiezu kam, daß Herr v. K — Doch! warum ſoll ich all die Umwege bemerken? In dieſen Schattenriß kann jeder die Stri- che machen, ohne den Herrn v. K — gekannt zu haben. Da darf man nur den Menſchen kennen, und dies Zutrauen hab ich zur Zeit- welt, und weit, weit zuverſichtlicher zur Nachwelt —
Wer will nicht das haben, wonach er ei- nen andern ringen ſieht? Wer haͤtte nicht
ein
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Gottlob!
An Herrn v. W — dacht ich nicht —
Ich ſprach die gute Mutter, die keinen
Schatten von Bedenklichkeit fand; allein ſie
wuͤnſchte, daß ich mich an ihren Mann, oder,
wie ſie ſagte, an Herrn v. W — wenden
moͤchte! —
Ich thats, und merkte, daß er ſich herz-
lich freute, eine Gelegenheit zu haben, von
ſeiner Complimenten-Sammlung Gebrauch
zu machen. Nachdem ich aber alles ſichtete,
fand ſich unendlich mehr Spreu als Koͤrner,
und was noch Korn war, lief auf die wohl-
hergebrachte Landesmanier heraus, daß man
ein Vierteljahr ſeiner Geliebten die Aufwar-
tung machen, und nach ſo mancherley Bey-
urteln endlich die Definitivſentenz abwarten
muͤße. Hiezu kam, daß Herr v. K — Doch!
warum ſoll ich all die Umwege bemerken?
In dieſen Schattenriß kann jeder die Stri-
che machen, ohne den Herrn v. K — gekannt
zu haben. Da darf man nur den Menſchen
kennen, und dies Zutrauen hab ich zur Zeit-
welt, und weit, weit zuverſichtlicher zur
Nachwelt —
Wer will nicht das haben, wonach er ei-
nen andern ringen ſieht? Wer haͤtte nicht
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/497>, abgerufen am 22.11.2024.
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