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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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alle Kunst hinaus seyn -- bey einem Haar
wäre sie wieder vom Wege gekommen --
Wer ist aber heut zu Tage natürlich?
Mein Mann? Sie kennen ihn! -- Könn-
ten sie sich so viel von ihrer Denkart auf ei-
nen Augenblick abmüßigen, und ihm in der
Nähe zeigen, was so viele von weiten gese-
hen? Jedes Auge trägt nicht gleich weit.
Sind sie ein Edelmann? --

Eine Chrie ist der andern werth. Um wie
vieles hätt' ich das Vergnügen nicht gegeben,
erst Tinen zu heyrathen und ihr sodann zu be-
weisen, daß sie von dieser Seite keine Ungezo-
genheit vom adlichen Pöbel zu fürchten hätte.

Das Wort: ein Gewißer könnt ich
selbst von meinem Eidam nicht leiden, um
wie vieles! Fuhr Frau v. W. fort.

Das traf! Frau v. W -- hatte Recht.
Ein Gewißer, so vortreflich das Wort gewiß
sonst ist, welch ein erniedrigendes Wort! Ein
gewißer heißt, Einer, der wegen seiner Exi-
stenz besorgt zu seyn Ursache hat, und eine
Tafel aushängen muß: hier wird Seife
gesotten
! Es ist ein in einem kleinen Zir-
kel blos Bekannter, ein Kleinstädter, der
will, und nicht kann! Fast scheint es, daß
es mit dem Menschen nicht aufs Gewiße an-

gelegt

alle Kunſt hinaus ſeyn — bey einem Haar
waͤre ſie wieder vom Wege gekommen —
Wer iſt aber heut zu Tage natuͤrlich?
Mein Mann? Sie kennen ihn! — Koͤnn-
ten ſie ſich ſo viel von ihrer Denkart auf ei-
nen Augenblick abmuͤßigen, und ihm in der
Naͤhe zeigen, was ſo viele von weiten geſe-
hen? Jedes Auge traͤgt nicht gleich weit.
Sind ſie ein Edelmann? —

Eine Chrie iſt der andern werth. Um wie
vieles haͤtt’ ich das Vergnuͤgen nicht gegeben,
erſt Tinen zu heyrathen und ihr ſodann zu be-
weiſen, daß ſie von dieſer Seite keine Ungezo-
genheit vom adlichen Poͤbel zu fuͤrchten haͤtte.

Das Wort: ein Gewißer koͤnnt ich
ſelbſt von meinem Eidam nicht leiden, um
wie vieles! Fuhr Frau v. W. fort.

Das traf! Frau v. W — hatte Recht.
Ein Gewißer, ſo vortreflich das Wort gewiß
ſonſt iſt, welch ein erniedrigendes Wort! Ein
gewißer heißt, Einer, der wegen ſeiner Exi-
ſtenz beſorgt zu ſeyn Urſache hat, und eine
Tafel aushaͤngen muß: hier wird Seife
geſotten
! Es iſt ein in einem kleinen Zir-
kel blos Bekannter, ein Kleinſtaͤdter, der
will, und nicht kann! Faſt ſcheint es, daß
es mit dem Menſchen nicht aufs Gewiße an-

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[494/0504] alle Kunſt hinaus ſeyn — bey einem Haar waͤre ſie wieder vom Wege gekommen — Wer iſt aber heut zu Tage natuͤrlich? Mein Mann? Sie kennen ihn! — Koͤnn- ten ſie ſich ſo viel von ihrer Denkart auf ei- nen Augenblick abmuͤßigen, und ihm in der Naͤhe zeigen, was ſo viele von weiten geſe- hen? Jedes Auge traͤgt nicht gleich weit. Sind ſie ein Edelmann? — Eine Chrie iſt der andern werth. Um wie vieles haͤtt’ ich das Vergnuͤgen nicht gegeben, erſt Tinen zu heyrathen und ihr ſodann zu be- weiſen, daß ſie von dieſer Seite keine Ungezo- genheit vom adlichen Poͤbel zu fuͤrchten haͤtte. Das Wort: ein Gewißer koͤnnt ich ſelbſt von meinem Eidam nicht leiden, um wie vieles! Fuhr Frau v. W. fort. Das traf! Frau v. W — hatte Recht. Ein Gewißer, ſo vortreflich das Wort gewiß ſonſt iſt, welch ein erniedrigendes Wort! Ein gewißer heißt, Einer, der wegen ſeiner Exi- ſtenz beſorgt zu ſeyn Urſache hat, und eine Tafel aushaͤngen muß: hier wird Seife geſotten! Es iſt ein in einem kleinen Zir- kel blos Bekannter, ein Kleinſtaͤdter, der will, und nicht kann! Faſt ſcheint es, daß es mit dem Menſchen nicht aufs Gewiße an- gelegt

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/504>, abgerufen am 21.11.2024.