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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Gelegenheit, daß sie den Stab über den
Herrn v. G -- brach, dessen er sich in seiner
Abwesenheit immer ritterlich annahm, zu-
rief: Preußen! Holland! Toleranz hin, To-
leranz her! Ein anderes ist Toleranz aus
Commercium Absicht, ein anderes von Got-
teswegen. Ein anderes Holland, ein ande-
res (er nannte ein Land) -- Glaub mir mein
Kind! wer würd in Holland und -- dem
Herrn Christo die Communion versagen,
wenn er da wäre. Die Narren! ohne zu
bedenken, daß er sie in der Nacht, da er ver-
rathen ward, eingesetzet hat. Nenne mir
ein Land, liebe orthodoxe Seele! wo man ihn
nicht kreutzigen würde? wo er nicht noch in
manchem seiner Jünger (Roußeau und --)
gekreutziget wird? Lieber Roußeau! ich habe
dich meinem Schwiegervater empfohlen, und
er feyret deinen Sterbtag, obgleich du nicht
von Adel bist! -- Mehr vermag ich nicht.
Meine Mutter hätte dir kein Monument in
der Speisekammer errichtet! Ob mein Va-
ter zum Eugen im Prunkzimmer zur rechten
Hand unterm Spiegel gesagt: weiche die-
sem,
weiß ich nicht. Wenn ich erwäge, daß
du, wie alle edle Menschen, nicht hattest,
wo du dein Haupt hinlegtest, und da dich

dur-

Gelegenheit, daß ſie den Stab uͤber den
Herrn v. G — brach, deſſen er ſich in ſeiner
Abweſenheit immer ritterlich annahm, zu-
rief: Preußen! Holland! Toleranz hin, To-
leranz her! Ein anderes iſt Toleranz aus
Commercium Abſicht, ein anderes von Got-
teswegen. Ein anderes Holland, ein ande-
res (er nannte ein Land) — Glaub mir mein
Kind! wer wuͤrd in Holland und — dem
Herrn Chriſto die Communion verſagen,
wenn er da waͤre. Die Narren! ohne zu
bedenken, daß er ſie in der Nacht, da er ver-
rathen ward, eingeſetzet hat. Nenne mir
ein Land, liebe orthodoxe Seele! wo man ihn
nicht kreutzigen wuͤrde? wo er nicht noch in
manchem ſeiner Juͤnger (Roußeau und —)
gekreutziget wird? Lieber Roußeau! ich habe
dich meinem Schwiegervater empfohlen, und
er feyret deinen Sterbtag, obgleich du nicht
von Adel biſt! — Mehr vermag ich nicht.
Meine Mutter haͤtte dir kein Monument in
der Speiſekammer errichtet! Ob mein Va-
ter zum Eugen im Prunkzimmer zur rechten
Hand unterm Spiegel geſagt: weiche die-
ſem,
weiß ich nicht. Wenn ich erwaͤge, daß
du, wie alle edle Menſchen, nicht hatteſt,
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[632/0640] Gelegenheit, daß ſie den Stab uͤber den Herrn v. G — brach, deſſen er ſich in ſeiner Abweſenheit immer ritterlich annahm, zu- rief: Preußen! Holland! Toleranz hin, To- leranz her! Ein anderes iſt Toleranz aus Commercium Abſicht, ein anderes von Got- teswegen. Ein anderes Holland, ein ande- res (er nannte ein Land) — Glaub mir mein Kind! wer wuͤrd in Holland und — dem Herrn Chriſto die Communion verſagen, wenn er da waͤre. Die Narren! ohne zu bedenken, daß er ſie in der Nacht, da er ver- rathen ward, eingeſetzet hat. Nenne mir ein Land, liebe orthodoxe Seele! wo man ihn nicht kreutzigen wuͤrde? wo er nicht noch in manchem ſeiner Juͤnger (Roußeau und —) gekreutziget wird? Lieber Roußeau! ich habe dich meinem Schwiegervater empfohlen, und er feyret deinen Sterbtag, obgleich du nicht von Adel biſt! — Mehr vermag ich nicht. Meine Mutter haͤtte dir kein Monument in der Speiſekammer errichtet! Ob mein Va- ter zum Eugen im Prunkzimmer zur rechten Hand unterm Spiegel geſagt: weiche die- ſem, weiß ich nicht. Wenn ich erwaͤge, daß du, wie alle edle Menſchen, nicht hatteſt, wo du dein Haupt hinlegteſt, und da dich dur-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/640>, abgerufen am 23.11.2024.