sich zur Capelle geheiligt hat, sein Morgen- lied abzusingen -- und wenn die der Welt abgestorbene Philomele deine kleine Einsie- deley entdeckt, was solte sie abhalten, hier ihr Klagelied anzustimmen? und diese Ein- samkeit dem vögelreichen lermvollen Walde vorzuziehen? welcher ihrer nicht werth ist! -- nicht werth!
Sieh, wie der Sperling sich in der Stille paart, um durch sein galantes Zwit- schern keinem gesitteten Bürger deines Gar- tens durch Ueppigkeit ein böses Beyspiel zu geben!
Gros ist dein Garten dem Weisen, dem Guten, dem nichts zu klein ist, wie unserm Herr Gott! Einen so großen Erdschollen, als der Mensch zum Grabe braucht, hat er auch nur nöthig, froh zu seyn! -- Wie weit mehr hast du! Du und dein Weib kön- nen in diesem Gärtchen begraben werden und selig ruhen, und doch bleibt noch Raum für einen Menschenfreund, dem Philomele beystimmt, wenn er unsern Tod beweint! --
Eben
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ſich zur Capelle geheiligt hat, ſein Morgen- lied abzuſingen — und wenn die der Welt abgeſtorbene Philomele deine kleine Einſie- deley entdeckt, was ſolte ſie abhalten, hier ihr Klagelied anzuſtimmen? und dieſe Ein- ſamkeit dem voͤgelreichen lermvollen Walde vorzuziehen? welcher ihrer nicht werth iſt! — nicht werth!
Sieh, wie der Sperling ſich in der Stille paart, um durch ſein galantes Zwit- ſchern keinem geſitteten Buͤrger deines Gar- tens durch Ueppigkeit ein boͤſes Beyſpiel zu geben!
Gros iſt dein Garten dem Weiſen, dem Guten, dem nichts zu klein iſt, wie unſerm Herr Gott! Einen ſo großen Erdſchollen, als der Menſch zum Grabe braucht, hat er auch nur noͤthig, froh zu ſeyn! — Wie weit mehr haſt du! Du und dein Weib koͤn- nen in dieſem Gaͤrtchen begraben werden und ſelig ruhen, und doch bleibt noch Raum fuͤr einen Menſchenfreund, dem Philomele beyſtimmt, wenn er unſern Tod beweint! —
Eben
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ſich zur Capelle geheiligt hat, ſein Morgen-
lied abzuſingen — und wenn die der Welt
abgeſtorbene Philomele deine kleine Einſie-
deley entdeckt, was ſolte ſie abhalten, hier
ihr Klagelied anzuſtimmen? und dieſe Ein-
ſamkeit dem voͤgelreichen lermvollen Walde
vorzuziehen? welcher ihrer nicht werth iſt! —
nicht werth!
Sieh, wie der Sperling ſich in der
Stille paart, um durch ſein galantes Zwit-
ſchern keinem geſitteten Buͤrger deines Gar-
tens durch Ueppigkeit ein boͤſes Beyſpiel zu
geben!
Gros iſt dein Garten dem Weiſen, dem
Guten, dem nichts zu klein iſt, wie unſerm
Herr Gott! Einen ſo großen Erdſchollen,
als der Menſch zum Grabe braucht, hat er
auch nur noͤthig, froh zu ſeyn! — Wie
weit mehr haſt du! Du und dein Weib koͤn-
nen in dieſem Gaͤrtchen begraben werden
und ſelig ruhen, und doch bleibt noch Raum
fuͤr einen Menſchenfreund, dem Philomele
beyſtimmt, wenn er unſern Tod beweint! —
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 647. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/655>, abgerufen am 21.11.2024.
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