der Mensch feiert durch sein Leben das Leben des menschlichen Geschlechtes, und wird, wo nicht die Quintessenz, so doch ein kurzer Auszug von der Geschichte der moralischen Welt. Wenn man ohne sonderliche Vorur- theile (denn ist es möglich, sich über diese Egyptischen Plagen völlig wegzusetzen?) einen Plan entwerfen könnte, wie die Menschen- welt gehen müsste, wenn sie anders den letz- ten Zwecken der Vorsehung gemäss wandeln wollte; so hätte man freilich von der morali- schen Welt eine treue Probe, die mit den Bruchstücken, welche wir davon geschichtlich besitzen, stimmen und die Data da ergänzen würde, wo in der wirklichen Welt Alles wüst und leer scheinet. Jetzt aber werden wir, hier und da viel oder wenig abgerechnet, wenigstens ein Ungefähr von dem herauszu- bringen im Stande seyn, was herauszubringen war; und sollten wir nicht Alles mit einer reinen Idee dieses Ganges übereinstimmend finden, so wird doch ein grosser oder kleiner Theil stimmig seyn. Die erste Periode unse- res Lebens ist so dunkel wie die Genesis der
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der Mensch feiert durch sein Leben das Leben des menschlichen Geschlechtes, und wird, wo nicht die Quintessenz, so doch ein kurzer Auszug von der Geschichte der moralischen Welt. Wenn man ohne sonderliche Vorur- theile (denn ist es möglich, sich über diese Egyptischen Plagen völlig wegzusetzen?) einen Plan entwerfen könnte, wie die Menschen- welt gehen müſste, wenn sie anders den letz- ten Zwecken der Vorsehung gemäſs wandeln wollte; so hätte man freilich von der morali- schen Welt eine treue Probe, die mit den Bruchstücken, welche wir davon geschichtlich besitzen, stimmen und die Data da ergänzen würde, wo in der wirklichen Welt Alles wüst und leer scheinet. Jetzt aber werden wir, hier und da viel oder wenig abgerechnet, wenigstens ein Ungefähr von dem herauszu- bringen im Stande seyn, was herauszubringen war; und sollten wir nicht Alles mit einer reinen Idee dieses Ganges übereinstimmend finden, so wird doch ein groſser oder kleiner Theil stimmig seyn. Die erste Periode unse- res Lebens ist so dunkel wie die Genesis der
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der Mensch feiert durch sein Leben das Leben
des menschlichen Geschlechtes, und wird,
wo nicht die Quintessenz, so doch ein kurzer
Auszug von der Geschichte der moralischen
Welt. Wenn man ohne sonderliche Vorur-
theile (denn ist es möglich, sich über diese
Egyptischen Plagen völlig wegzusetzen?) einen
Plan entwerfen könnte, wie die Menschen-
welt gehen müſste, wenn sie anders den letz-
ten Zwecken der Vorsehung gemäſs wandeln
wollte; so hätte man freilich von der morali-
schen Welt eine treue Probe, die mit den
Bruchstücken, welche wir davon geschichtlich
besitzen, stimmen und die Data da ergänzen
würde, wo in der wirklichen Welt Alles
wüst und leer scheinet. Jetzt aber werden
wir, hier und da viel oder wenig abgerechnet,
wenigstens ein Ungefähr von dem herauszu-
bringen im Stande seyn, was herauszubringen
war; und sollten wir nicht Alles mit einer
reinen Idee dieses Ganges übereinstimmend
finden, so wird doch ein groſser oder kleiner
Theil stimmig seyn. Die erste Periode unse-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/125>, abgerufen am 25.11.2024.
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