hier nicht bloss vom Gebrauche des Mundes und der Zunge, sondern der Seele und des Herzens rede? So bald Stärke, Obermacht und Verjährung nicht Gesetze abnöthigen; -- und wehe der Staatsgrundlegung, die solche Ecksteine in Anwendung bringt! -- so bald jede regelmässige Gesellschaft so gar eben da- zu entsteht, um jene natürlichen Hervorste- chungen in's Gleichgewicht zu bringen: so hat das andere Geschlecht ein Recht, vom Staate zu fordern, dass er ihm Gerechtigkeit erweise, dass er über die Schwächlichkeit des Körpers, welche zum grössten Theil durch Vorurtheil entstanden ist, die Stärke der Seelen der Wei- ber nicht vergesse. Macht denn nicht die Seele den Hauptbestandtheil der Menschen? Die natürliche Gleichheit erfordert eine poli- tische Ungleichheit, weil die Erhöhung des natürlichen Werthes des Menschen nur durch eine gegenseitige politische Verbindung dersel- ben unter einander möglich ist, und hervor- ragende Menschen durch Gesetze, so wie Ge- nies durch Regeln, in Ordnung gehalten wer- den müssen. Kann aber dieser an sich nicht
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hier nicht bloſs vom Gebrauche des Mundes und der Zunge, sondern der Seele und des Herzens rede? So bald Stärke, Obermacht und Verjährung nicht Gesetze abnöthigen; — und wehe der Staatsgrundlegung, die solche Ecksteine in Anwendung bringt! — so bald jede regelmäſsige Gesellschaft so gar eben da- zu entsteht, um jene natürlichen Hervorste- chungen in’s Gleichgewicht zu bringen: so hat das andere Geschlecht ein Recht, vom Staate zu fordern, daſs er ihm Gerechtigkeit erweise, daſs er über die Schwächlichkeit des Körpers, welche zum gröſsten Theil durch Vorurtheil entstanden ist, die Stärke der Seelen der Wei- ber nicht vergesse. Macht denn nicht die Seele den Hauptbestandtheil der Menschen? Die natürliche Gleichheit erfordert eine poli- tische Ungleichheit, weil die Erhöhung des natürlichen Werthes des Menschen nur durch eine gegenseitige politische Verbindung dersel- ben unter einander möglich ist, und hervor- ragende Menschen durch Gesetze, so wie Ge- nies durch Regeln, in Ordnung gehalten wer- den müssen. Kann aber dieser an sich nicht
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[208/0216]
hier nicht bloſs vom Gebrauche des Mundes
und der Zunge, sondern der Seele und des
Herzens rede? So bald Stärke, Obermacht
und Verjährung nicht Gesetze abnöthigen; —
und wehe der Staatsgrundlegung, die solche
Ecksteine in Anwendung bringt! — so bald
jede regelmäſsige Gesellschaft so gar eben da-
zu entsteht, um jene natürlichen Hervorste-
chungen in’s Gleichgewicht zu bringen: so hat
das andere Geschlecht ein Recht, vom Staate
zu fordern, daſs er ihm Gerechtigkeit erweise,
daſs er über die Schwächlichkeit des Körpers,
welche zum gröſsten Theil durch Vorurtheil
entstanden ist, die Stärke der Seelen der Wei-
ber nicht vergesse. Macht denn nicht die
Seele den Hauptbestandtheil der Menschen?
Die natürliche Gleichheit erfordert eine poli-
tische Ungleichheit, weil die Erhöhung des
natürlichen Werthes des Menschen nur durch
eine gegenseitige politische Verbindung dersel-
ben unter einander möglich ist, und hervor-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/216>, abgerufen am 24.11.2024.
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