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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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nicht genug zu fühlen; oder wohl gar sich für
verpflichtet zu halten, den gemachten Versu-
chen, Bürger zu bilden, Hindernisse in den
Weg zu legen. Wenn die Befehlshaber des
Volkes bedächten, dass nichts als eine gute
Erziehung sie auf immer in dem Besitz ge-
setzlicher und auf Verträge sich gründender
Vorzüge sichern kann; sie würden zu dieser
ihrer Zeit bedenken, was zu ihrem Frieden
dienet. Lange hat man Erziehung und Un-
terricht, die doch ihrem Wesen, ihrer Form
und ihrem Endzwecke nach so sehr unter-
schieden sind, für Eins gehalten. Lange mu-
thete man Lehrern zu, die in der Regel selbst
keine Erziehung hatten, sie sollten zugleich
Erzieher seyn; und man wusste nicht zu begrei-
fen, wie man gelehrt seyn und doch keine
Sitten haben könnte. Fest glaubte man an das
goldene Sprichwort: dass Künste und Sitten
Schwestern und Brüder sind, und Niemand
dachte daran zu untersuchen, ob Künste und
Sitten sich wie Ursache und Wirkung ver-
hielten.

Rechnet man zu diesen Mängeln den Um-

O 4

nicht genug zu fühlen; oder wohl gar sich für
verpflichtet zu halten, den gemachten Versu-
chen, Bürger zu bilden, Hindernisse in den
Weg zu legen. Wenn die Befehlshaber des
Volkes bedächten, daſs nichts als eine gute
Erziehung sie auf immer in dem Besitz ge-
setzlicher und auf Verträge sich gründender
Vorzüge sichern kann; sie würden zu dieser
ihrer Zeit bedenken, was zu ihrem Frieden
dienet. Lange hat man Erziehung und Un-
terricht, die doch ihrem Wesen, ihrer Form
und ihrem Endzwecke nach so sehr unter-
schieden sind, für Eins gehalten. Lange mu-
thete man Lehrern zu, die in der Regel selbst
keine Erziehung hatten, sie sollten zugleich
Erzieher seyn; und man wuſste nicht zu begrei-
fen, wie man gelehrt seyn und doch keine
Sitten haben könnte. Fest glaubte man an das
goldene Sprichwort: daſs Künste und Sitten
Schwestern und Brüder sind, und Niemand
dachte daran zu untersuchen, ob Künste und
Sitten sich wie Ursache und Wirkung ver-
hielten.

Rechnet man zu diesen Mängeln den Um-

O 4
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[215/0223] nicht genug zu fühlen; oder wohl gar sich für verpflichtet zu halten, den gemachten Versu- chen, Bürger zu bilden, Hindernisse in den Weg zu legen. Wenn die Befehlshaber des Volkes bedächten, daſs nichts als eine gute Erziehung sie auf immer in dem Besitz ge- setzlicher und auf Verträge sich gründender Vorzüge sichern kann; sie würden zu dieser ihrer Zeit bedenken, was zu ihrem Frieden dienet. Lange hat man Erziehung und Un- terricht, die doch ihrem Wesen, ihrer Form und ihrem Endzwecke nach so sehr unter- schieden sind, für Eins gehalten. Lange mu- thete man Lehrern zu, die in der Regel selbst keine Erziehung hatten, sie sollten zugleich Erzieher seyn; und man wuſste nicht zu begrei- fen, wie man gelehrt seyn und doch keine Sitten haben könnte. Fest glaubte man an das goldene Sprichwort: daſs Künste und Sitten Schwestern und Brüder sind, und Niemand dachte daran zu untersuchen, ob Künste und Sitten sich wie Ursache und Wirkung ver- hielten. Rechnet man zu diesen Mängeln den Um- O 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/223>, abgerufen am 25.11.2024.