Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Denkern etwa wie Eins zu Hundert verhalten.
Und du lieber Gott! selbst die Denker! sind
sie nicht eine so unsichtbare Kirche, dass nur
der Herr die Seinen kennet? Wahrlich! es
hat auf die Wirkung keinen Einfluss, ob ein
Buch zehn, fünf oder nur Eine Auflage erlebt;
und der Autor, der nach der Anzahl der ver-
kauften Exemplare ein angeworbenes Heer mit
ihm gleich denkender Menschen, die vermit-
telst seines Buches Handgeld genommen, be-
rechnen will, scheint weder Bücher noch
Menschen zu kennen -- man muss ihn in
die Schule schicken. Einer jeden Schrift, sie
sey wess Standes oder Ehren sie wolle, stehet
das gewöhnliche Schicksal aller Schriften be-
vor: gelesen und vergessen zu werden; falls
sie sich bloss auf Meinungen einschränkt (die
unschädlichsten, unwirksamsten Dinge in der
Welt, wenn anders der Censor ihnen nicht
einen Schein von Bedeutung beizulegen die
ungütige Güte hat.) -- Gelingt es mir indess,
Leben und Erfahrung in mein Büchlein zu
legen und einen Geist in die todten Buchsta-
ben zu hauchen; so werd' ich wenigstens auf

Denkern etwa wie Eins zu Hundert verhalten.
Und du lieber Gott! selbst die Denker! sind
sie nicht eine so unsichtbare Kirche, daſs nur
der Herr die Seinen kennet? Wahrlich! es
hat auf die Wirkung keinen Einfluſs, ob ein
Buch zehn, fünf oder nur Eine Auflage erlebt;
und der Autor, der nach der Anzahl der ver-
kauften Exemplare ein angeworbenes Heer mit
ihm gleich denkender Menschen, die vermit-
telst seines Buches Handgeld genommen, be-
rechnen will, scheint weder Bücher noch
Menschen zu kennen — man muſs ihn in
die Schule schicken. Einer jeden Schrift, sie
sey weſs Standes oder Ehren sie wolle, stehet
das gewöhnliche Schicksal aller Schriften be-
vor: gelesen und vergessen zu werden; falls
sie sich bloſs auf Meinungen einschränkt (die
unschädlichsten, unwirksamsten Dinge in der
Welt, wenn anders der Censor ihnen nicht
einen Schein von Bedeutung beizulegen die
ungütige Güte hat.) — Gelingt es mir indeſs,
Leben und Erfahrung in mein Büchlein zu
legen und einen Geist in die todten Buchsta-
ben zu hauchen; so werd’ ich wenigstens auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0030" n="22"/>
Denkern etwa wie Eins zu Hundert verhalten.<lb/>
Und du lieber Gott! selbst die Denker! sind<lb/>
sie nicht eine so unsichtbare Kirche, da&#x017F;s nur<lb/>
der Herr die Seinen kennet? Wahrlich! es<lb/>
hat auf die Wirkung keinen Einflu&#x017F;s, ob ein<lb/>
Buch zehn, fünf oder nur Eine Auflage erlebt;<lb/>
und der Autor, der nach der Anzahl der ver-<lb/>
kauften Exemplare ein angeworbenes Heer mit<lb/>
ihm gleich denkender Menschen, die vermit-<lb/>
telst seines Buches Handgeld genommen, be-<lb/>
rechnen will, scheint weder Bücher noch<lb/>
Menschen zu kennen &#x2014; man mu&#x017F;s ihn in<lb/>
die Schule schicken. Einer jeden Schrift, sie<lb/>
sey we&#x017F;s Standes oder Ehren sie wolle, stehet<lb/>
das gewöhnliche Schicksal aller Schriften be-<lb/>
vor: gelesen und vergessen zu werden; falls<lb/>
sie sich blo&#x017F;s auf Meinungen einschränkt (die<lb/>
unschädlichsten, unwirksamsten Dinge in der<lb/>
Welt, wenn anders der Censor ihnen nicht<lb/>
einen Schein von Bedeutung beizulegen die<lb/>
ungütige Güte hat.) &#x2014; Gelingt es mir inde&#x017F;s,<lb/>
Leben und Erfahrung in mein Büchlein zu<lb/>
legen und einen Geist in die todten Buchsta-<lb/>
ben zu hauchen; so werd&#x2019; ich wenigstens auf<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0030] Denkern etwa wie Eins zu Hundert verhalten. Und du lieber Gott! selbst die Denker! sind sie nicht eine so unsichtbare Kirche, daſs nur der Herr die Seinen kennet? Wahrlich! es hat auf die Wirkung keinen Einfluſs, ob ein Buch zehn, fünf oder nur Eine Auflage erlebt; und der Autor, der nach der Anzahl der ver- kauften Exemplare ein angeworbenes Heer mit ihm gleich denkender Menschen, die vermit- telst seines Buches Handgeld genommen, be- rechnen will, scheint weder Bücher noch Menschen zu kennen — man muſs ihn in die Schule schicken. Einer jeden Schrift, sie sey weſs Standes oder Ehren sie wolle, stehet das gewöhnliche Schicksal aller Schriften be- vor: gelesen und vergessen zu werden; falls sie sich bloſs auf Meinungen einschränkt (die unschädlichsten, unwirksamsten Dinge in der Welt, wenn anders der Censor ihnen nicht einen Schein von Bedeutung beizulegen die ungütige Güte hat.) — Gelingt es mir indeſs, Leben und Erfahrung in mein Büchlein zu legen und einen Geist in die todten Buchsta- ben zu hauchen; so werd’ ich wenigstens auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/30
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/30>, abgerufen am 03.12.2024.