verstecken wissen. Schon im gemeinen Le- ben verwickeln sie mit ihrem Witze alle Cha- raktere der Gesellschaft auf eine so angeneh- me Art, dass man diese ihre Leichtigkeit be- wundern muss. Indem sie der Ausdruck zu verlassen scheint, indem sie ihn aufgeben, fin- den sie eine überschwengliche Sprache: sie belauschen kleine Ideen, die der, den sie ge- winnen wollen, fallen lässt; -- sie wissen auf ein Haar seine Leibgerichte, seine Neigun- gen, seine Stärke, seine Schwäche; und besit- zen die grosse Gabe, von Glück und Unglück Gebrauch zu machen -- wie bewunderungs- würdig! -- Unser Geschlecht verstehet es selten, aus dem Glück, und fast nie, aus dem Unglück Vortheil zu ziehen und glücklich durch Unglück zu seyn. --
Der Mangel der Verschwiegenheit, den man dem andern Geschlechte so oft zur Last legt, ist nur eine Unart des weiblichen Pöbels; und der männliche Pöbel macht in dieser Hinsicht so wenig eine Ausnahme, dass er fast schwatzhafter zu seyn scheinet. Weil die Weiber viel reden, hat man sie der Unver-
U 3
verstecken wissen. Schon im gemeinen Le- ben verwickeln sie mit ihrem Witze alle Cha- raktere der Gesellschaft auf eine so angeneh- me Art, daſs man diese ihre Leichtigkeit be- wundern muſs. Indem sie der Ausdruck zu verlassen scheint, indem sie ihn aufgeben, fin- den sie eine überschwengliche Sprache: sie belauschen kleine Ideen, die der, den sie ge- winnen wollen, fallen läſst; — sie wissen auf ein Haar seine Leibgerichte, seine Neigun- gen, seine Stärke, seine Schwäche; und besit- zen die groſse Gabe, von Glück und Unglück Gebrauch zu machen — wie bewunderungs- würdig! — Unser Geschlecht verstehet es selten, aus dem Glück, und fast nie, aus dem Unglück Vortheil zu ziehen und glücklich durch Unglück zu seyn. —
Der Mangel der Verschwiegenheit, den man dem andern Geschlechte so oft zur Last legt, ist nur eine Unart des weiblichen Pöbels; und der männliche Pöbel macht in dieser Hinsicht so wenig eine Ausnahme, daſs er fast schwatzhafter zu seyn scheinet. Weil die Weiber viel reden, hat man sie der Unver-
U 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0317"n="309"/>
verstecken wissen. Schon im gemeinen Le-<lb/>
ben verwickeln sie mit ihrem Witze alle Cha-<lb/>
raktere der Gesellschaft auf eine so angeneh-<lb/>
me Art, daſs man diese ihre Leichtigkeit be-<lb/>
wundern muſs. Indem sie der Ausdruck zu<lb/>
verlassen scheint, indem sie ihn aufgeben, fin-<lb/>
den sie eine überschwengliche Sprache: sie<lb/>
belauschen kleine Ideen, die der, den sie ge-<lb/>
winnen wollen, fallen läſst; — sie wissen<lb/>
auf ein Haar seine Leibgerichte, seine Neigun-<lb/>
gen, seine Stärke, seine Schwäche; und besit-<lb/>
zen die groſse Gabe, von Glück und Unglück<lb/>
Gebrauch zu machen — wie bewunderungs-<lb/>
würdig! — Unser Geschlecht verstehet es<lb/>
selten, aus dem Glück, und fast nie, aus dem<lb/>
Unglück Vortheil zu ziehen und glücklich<lb/>
durch Unglück zu seyn. —</p><lb/><p>Der <hirendition="#i">Mangel der Verschwiegenheit</hi>, den<lb/>
man dem andern Geschlechte so oft zur Last<lb/>
legt, ist nur eine Unart des <hirendition="#i">weiblichen Pöbels;</hi><lb/>
und der <hirendition="#i">männliche</hi> Pöbel macht in dieser<lb/>
Hinsicht so wenig eine Ausnahme, daſs er<lb/>
fast schwatzhafter zu seyn scheinet. Weil die<lb/>
Weiber viel reden, hat man sie der Unver-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">U 3</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[309/0317]
verstecken wissen. Schon im gemeinen Le-
ben verwickeln sie mit ihrem Witze alle Cha-
raktere der Gesellschaft auf eine so angeneh-
me Art, daſs man diese ihre Leichtigkeit be-
wundern muſs. Indem sie der Ausdruck zu
verlassen scheint, indem sie ihn aufgeben, fin-
den sie eine überschwengliche Sprache: sie
belauschen kleine Ideen, die der, den sie ge-
winnen wollen, fallen läſst; — sie wissen
auf ein Haar seine Leibgerichte, seine Neigun-
gen, seine Stärke, seine Schwäche; und besit-
zen die groſse Gabe, von Glück und Unglück
Gebrauch zu machen — wie bewunderungs-
würdig! — Unser Geschlecht verstehet es
selten, aus dem Glück, und fast nie, aus dem
Unglück Vortheil zu ziehen und glücklich
durch Unglück zu seyn. —
Der Mangel der Verschwiegenheit, den
man dem andern Geschlechte so oft zur Last
legt, ist nur eine Unart des weiblichen Pöbels;
und der männliche Pöbel macht in dieser
Hinsicht so wenig eine Ausnahme, daſs er
fast schwatzhafter zu seyn scheinet. Weil die
Weiber viel reden, hat man sie der Unver-
U 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/317>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.