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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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und Reitze ihre Kraft verlieren würden; sie,
die durch nichts ersetzt wird -- ist sie nicht
oft die Ursache, dass Mädchen Gebrechen so
lange verheimlichen, bis dieselben nicht mehr
zu heben sind? oder dass sie lieber mit Gefahr
ihres Lebens auf die Hülfe der Kunst Verzicht
thun? Wie manche hat eine Entzündung in's
Grab gebracht, die, wenn sie weniger scham-
haft gewesen wäre, im Augenblick hätte ge-
rettet werden können --! Wie viele büssen
nicht durch schwere Geburten ihr Leben ein,
die es erhalten und dem Staate noch viele
Bürger geschenkt haben würden, wenn Ge-
burtshülfe eine weibliche Kunst wäre, wenn
man den Hebammen nicht bloss das Mecha-
nische dieser Kunst überliesse, das Wissen-
schaftliche derselben aber sehr weislich den
Männern vorbehalten hätte! Ist es bei diesen
Umständen ein Wunder, dass in London und
Dublin von Frauen, die sich durch Hebammen
entbinden lassen, Eine unter 70, und von de-
nen, die sich der Aufsicht männlicher Ge-
burtshelfer bedienen, nur Eine unter 140 im
Wochenbette stirbt? In der That, es bleibt

und Reitze ihre Kraft verlieren würden; sie,
die durch nichts ersetzt wird — ist sie nicht
oft die Ursache, daſs Mädchen Gebrechen so
lange verheimlichen, bis dieselben nicht mehr
zu heben sind? oder daſs sie lieber mit Gefahr
ihres Lebens auf die Hülfe der Kunst Verzicht
thun? Wie manche hat eine Entzündung in’s
Grab gebracht, die, wenn sie weniger scham-
haft gewesen wäre, im Augenblick hätte ge-
rettet werden können —! Wie viele büſsen
nicht durch schwere Geburten ihr Leben ein,
die es erhalten und dem Staate noch viele
Bürger geschenkt haben würden, wenn Ge-
burtshülfe eine weibliche Kunst wäre, wenn
man den Hebammen nicht bloſs das Mecha-
nische dieser Kunst überlieſse, das Wissen-
schaftliche derselben aber sehr weislich den
Männern vorbehalten hätte! Ist es bei diesen
Umständen ein Wunder, daſs in London und
Dublin von Frauen, die sich durch Hebammen
entbinden lassen, Eine unter 70, und von de-
nen, die sich der Aufsicht männlicher Ge-
burtshelfer bedienen, nur Eine unter 140 im
Wochenbette stirbt? In der That, es bleibt

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[338/0346] und Reitze ihre Kraft verlieren würden; sie, die durch nichts ersetzt wird — ist sie nicht oft die Ursache, daſs Mädchen Gebrechen so lange verheimlichen, bis dieselben nicht mehr zu heben sind? oder daſs sie lieber mit Gefahr ihres Lebens auf die Hülfe der Kunst Verzicht thun? Wie manche hat eine Entzündung in’s Grab gebracht, die, wenn sie weniger scham- haft gewesen wäre, im Augenblick hätte ge- rettet werden können —! Wie viele büſsen nicht durch schwere Geburten ihr Leben ein, die es erhalten und dem Staate noch viele Bürger geschenkt haben würden, wenn Ge- burtshülfe eine weibliche Kunst wäre, wenn man den Hebammen nicht bloſs das Mecha- nische dieser Kunst überlieſse, das Wissen- schaftliche derselben aber sehr weislich den Männern vorbehalten hätte! Ist es bei diesen Umständen ein Wunder, daſs in London und Dublin von Frauen, die sich durch Hebammen entbinden lassen, Eine unter 70, und von de- nen, die sich der Aufsicht männlicher Ge- burtshelfer bedienen, nur Eine unter 140 im Wochenbette stirbt? In der That, es bleibt

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/346>, abgerufen am 22.11.2024.