die Einwohner ein gesunder Schlag Leute sind, sollen, nach der Bemerkung der Reisenden, die Weiber stärker seyn als die Männer; und wie viele junge Wüstlinge giebt es, die sich das Alter in der Jugend inoculiren liessen, um so wenig vor Alter, wie an den Pocken zu sterben --! Ich will für meinen Einwender Gründe auslegen, die er mir hoffentlich zu seiner Zeit erstatten wird. Zugegeben, dass das Weib im Allgemeinen und bei allen Na- tionen, so wie überhaupt in der ganzen thie- rischen Schöpfung, schwächer, feiner und zar- ter gebauet ist als der Mann; zugegeben, dass die weiblichen Nerven biegsamer, reitzbarer und zärtlicher als die unsrigen sind: was folgt daraus? etwa, dass der Körper der Weiber nicht zu langen Anstrengungen des Geistes angelegt sei? dass sie wegen ihrer lebhaften Imagination nicht lange bei einem Gegenstande verweilen können? dass Anstrengung des Kop- fes, Sammlung des Geistes ihre Sache nicht sei? -- Giebt es nicht wissenschaftliche Ge- genstände, welche Biegsamkeit und Feinheit erfordern? Lässt denn körperliche Stärke auf
die Einwohner ein gesunder Schlag Leute sind, sollen, nach der Bemerkung der Reisenden, die Weiber stärker seyn als die Männer; und wie viele junge Wüstlinge giebt es, die sich das Alter in der Jugend inoculiren lieſsen, um so wenig vor Alter, wie an den Pocken zu sterben —! Ich will für meinen Einwender Gründe auslegen, die er mir hoffentlich zu seiner Zeit erstatten wird. Zugegeben, daſs das Weib im Allgemeinen und bei allen Na- tionen, so wie überhaupt in der ganzen thie- rischen Schöpfung, schwächer, feiner und zar- ter gebauet ist als der Mann; zugegeben, daſs die weiblichen Nerven biegsamer, reitzbarer und zärtlicher als die unsrigen sind: was folgt daraus? etwa, daſs der Körper der Weiber nicht zu langen Anstrengungen des Geistes angelegt sei? daſs sie wegen ihrer lebhaften Imagination nicht lange bei einem Gegenstande verweilen können? daſs Anstrengung des Kop- fes, Sammlung des Geistes ihre Sache nicht sei? — Giebt es nicht wissenschaftliche Ge- genstände, welche Biegsamkeit und Feinheit erfordern? Läſst denn körperliche Stärke auf
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die Einwohner ein gesunder Schlag Leute sind,
sollen, nach der Bemerkung der Reisenden,
die Weiber stärker seyn als die Männer; und
wie viele junge Wüstlinge giebt es, die sich
das Alter in der Jugend inoculiren lieſsen, um
so wenig vor Alter, wie an den Pocken zu
sterben —! Ich will für meinen Einwender
Gründe auslegen, die er mir hoffentlich zu
seiner Zeit erstatten wird. Zugegeben, daſs
das Weib im Allgemeinen und bei allen Na-
tionen, so wie überhaupt in der ganzen thie-
rischen Schöpfung, schwächer, feiner und zar-
ter gebauet ist als der Mann; zugegeben, daſs
die weiblichen Nerven biegsamer, reitzbarer
und zärtlicher als die unsrigen sind: was folgt
daraus? etwa, daſs der Körper der Weiber
nicht zu langen Anstrengungen des Geistes
angelegt sei? daſs sie wegen ihrer lebhaften
Imagination nicht lange bei einem Gegenstande
verweilen können? daſs Anstrengung des Kop-
fes, Sammlung des Geistes ihre Sache nicht
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/359>, abgerufen am 27.11.2024.
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