Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

legenheit gehabt, dass, umgekehrt, Männer die
Gedanken des anderen Geschlechtes durch
wohlgewählte Worte zu beleben suchen. Bei
jeder Regel haben sie zehn Fälle bei der
Hand, die jene bestärken oder widerlegen;
ihre vom richtigsten Geschmack gebildete Ein-
bildungskraft bringt in die abstraktesten Dinge
eine lebendige Seele! Wir wollen viel wissen,
die Weiber viel verstehen; wir wollen viel
gedacht haben, die Weiber viel sagen und in
Umlauf bringen. Sie protegiren gemeiniglich
nicht Gelehrte, sondern die Gelehrsamkeit;
weniger eitel in dieser Hinsicht als wir, legen
sie es darauf an, weniger gelehrt als weise zu
seyn; sie ehren den Witz, und bedienen sich
seiner als der ihnen von Natur beigelegten
Waffen, sich in Achtung zu setzen und darin
zu erhalten. Durch Witz beleben sie ihre
gesellschaftlichen Cirkel, und halten jede Un-
gezogenheit ab; ihre gefällige Laune tingirt
Alles mit Wohlgefallen -- Dem Pedanten
schleifen sie den Rost ab, damit er erträglich
werde; und wenn Newton ihren Finger nimmt,
um seine Pfeife nachzustopfen, so wissen sie

legenheit gehabt, daſs, umgekehrt, Männer die
Gedanken des anderen Geschlechtes durch
wohlgewählte Worte zu beleben suchen. Bei
jeder Regel haben sie zehn Fälle bei der
Hand, die jene bestärken oder widerlegen;
ihre vom richtigsten Geschmack gebildete Ein-
bildungskraft bringt in die abstraktesten Dinge
eine lebendige Seele! Wir wollen viel wissen,
die Weiber viel verstehen; wir wollen viel
gedacht haben, die Weiber viel sagen und in
Umlauf bringen. Sie protegiren gemeiniglich
nicht Gelehrte, sondern die Gelehrsamkeit;
weniger eitel in dieser Hinsicht als wir, legen
sie es darauf an, weniger gelehrt als weise zu
seyn; sie ehren den Witz, und bedienen sich
seiner als der ihnen von Natur beigelegten
Waffen, sich in Achtung zu setzen und darin
zu erhalten. Durch Witz beleben sie ihre
gesellschaftlichen Cirkel, und halten jede Un-
gezogenheit ab; ihre gefällige Laune tingirt
Alles mit Wohlgefallen — Dem Pedanten
schleifen sie den Rost ab, damit er erträglich
werde; und wenn Newton ihren Finger nimmt,
um seine Pfeife nachzustopfen, so wissen sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0364" n="356"/>
legenheit gehabt, da&#x017F;s, umgekehrt, Männer die<lb/>
Gedanken des anderen Geschlechtes durch<lb/>
wohlgewählte Worte zu beleben suchen. Bei<lb/>
jeder Regel haben sie zehn Fälle bei der<lb/>
Hand, die jene bestärken oder widerlegen;<lb/>
ihre vom richtigsten Geschmack gebildete Ein-<lb/>
bildungskraft bringt in die abstraktesten Dinge<lb/>
eine lebendige Seele! Wir wollen viel wissen,<lb/>
die Weiber viel verstehen; wir wollen viel<lb/>
gedacht haben, die Weiber viel sagen und in<lb/>
Umlauf bringen. Sie protegiren gemeiniglich<lb/>
nicht Gelehrte, sondern die Gelehrsamkeit;<lb/>
weniger eitel in dieser Hinsicht als wir, legen<lb/>
sie es darauf an, weniger gelehrt als weise zu<lb/>
seyn; sie ehren den Witz, und bedienen sich<lb/>
seiner als der ihnen von Natur beigelegten<lb/>
Waffen, sich in Achtung zu setzen und darin<lb/>
zu erhalten. Durch Witz beleben sie ihre<lb/>
gesellschaftlichen Cirkel, und halten jede Un-<lb/>
gezogenheit ab; ihre gefällige Laune tingirt<lb/>
Alles mit Wohlgefallen &#x2014; Dem Pedanten<lb/>
schleifen sie den Rost ab, damit er erträglich<lb/>
werde; und wenn <hi rendition="#i">Newton</hi> ihren Finger nimmt,<lb/>
um seine Pfeife nachzustopfen, so wissen sie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[356/0364] legenheit gehabt, daſs, umgekehrt, Männer die Gedanken des anderen Geschlechtes durch wohlgewählte Worte zu beleben suchen. Bei jeder Regel haben sie zehn Fälle bei der Hand, die jene bestärken oder widerlegen; ihre vom richtigsten Geschmack gebildete Ein- bildungskraft bringt in die abstraktesten Dinge eine lebendige Seele! Wir wollen viel wissen, die Weiber viel verstehen; wir wollen viel gedacht haben, die Weiber viel sagen und in Umlauf bringen. Sie protegiren gemeiniglich nicht Gelehrte, sondern die Gelehrsamkeit; weniger eitel in dieser Hinsicht als wir, legen sie es darauf an, weniger gelehrt als weise zu seyn; sie ehren den Witz, und bedienen sich seiner als der ihnen von Natur beigelegten Waffen, sich in Achtung zu setzen und darin zu erhalten. Durch Witz beleben sie ihre gesellschaftlichen Cirkel, und halten jede Un- gezogenheit ab; ihre gefällige Laune tingirt Alles mit Wohlgefallen — Dem Pedanten schleifen sie den Rost ab, damit er erträglich werde; und wenn Newton ihren Finger nimmt, um seine Pfeife nachzustopfen, so wissen sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/364
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/364>, abgerufen am 27.11.2024.