Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

dritten --! Schuf nicht eben die Schöpfer-
hand, welche Adam geschaffen hatte, auch
Eva? und gereichet diese Rippen-Hieroglyphe
nicht in mehr als Einer Rücksicht zum Vor-
zuge des Weibes? Keins erzog das andere;
Keinem fiel es ein, sich über das andere
zu erheben und Vaterrechte zu behaupten. --
Elternrecht, das schönste und ehrwürdigste,
das die Menschheit kennt, der Urquell der
liebenswürdigsten Tugenden, hat (wer sollt' es
denken!) die Ungleichheit unter den Menschen
erzeugt. Gute Eltern, solch eine ungerathene,
ausgeartete Tochter! Sind indess viele Laster
nichts anders als ungezogene Tugenden; sind,
nach dem Ausspruch eines Heiligen, unsere
Tugenden bloss schöne Sünden: so würde
man ein Verbrechen an der Menschheit bege-
hen, wenn man nicht auch dem Bösen und
dem Ideal desselben, dem Teufel, Gerechtig-
keit erweisen wollte. -- Wenn man ja, nach
der ältesten Urkunde das menschliche Ge-
schlecht betreffend, einem Theile dieses ersten
Menschenpaares einen Vorzug vor dem andern
beilegen wollte; so würde Eva den Zankapfel

dritten —! Schuf nicht eben die Schöpfer-
hand, welche Adam geschaffen hatte, auch
Eva? und gereichet diese Rippen-Hieroglyphe
nicht in mehr als Einer Rücksicht zum Vor-
zuge des Weibes? Keins erzog das andere;
Keinem fiel es ein, sich über das andere
zu erheben und Vaterrechte zu behaupten. —
Elternrecht, das schönste und ehrwürdigste,
das die Menschheit kennt, der Urquell der
liebenswürdigsten Tugenden, hat (wer sollt’ es
denken!) die Ungleichheit unter den Menschen
erzeugt. Gute Eltern, solch eine ungerathene,
ausgeartete Tochter! Sind indeſs viele Laster
nichts anders als ungezogene Tugenden; sind,
nach dem Ausspruch eines Heiligen, unsere
Tugenden bloſs schöne Sünden: so würde
man ein Verbrechen an der Menschheit bege-
hen, wenn man nicht auch dem Bösen und
dem Ideal desselben, dem Teufel, Gerechtig-
keit erweisen wollte. — Wenn man ja, nach
der ältesten Urkunde das menschliche Ge-
schlecht betreffend, einem Theile dieses ersten
Menschenpaares einen Vorzug vor dem andern
beilegen wollte; so würde Eva den Zankapfel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="29"/>
dritten &#x2014;! Schuf nicht eben die Schöpfer-<lb/>
hand, welche <hi rendition="#i">Adam</hi> geschaffen hatte, auch<lb/><hi rendition="#i">Eva?</hi> und gereichet diese Rippen-Hieroglyphe<lb/>
nicht in mehr als Einer Rücksicht zum Vor-<lb/>
zuge des Weibes? Keins erzog das andere;<lb/>
Keinem fiel es ein, sich über das andere<lb/>
zu erheben und Vaterrechte zu behaupten. &#x2014;<lb/>
Elternrecht, das schönste und ehrwürdigste,<lb/>
das die Menschheit kennt, der Urquell der<lb/>
liebenswürdigsten Tugenden, hat (wer sollt&#x2019; es<lb/>
denken!) die Ungleichheit unter den Menschen<lb/>
erzeugt. Gute Eltern, solch eine ungerathene,<lb/>
ausgeartete Tochter! Sind inde&#x017F;s viele Laster<lb/>
nichts anders als ungezogene Tugenden; sind,<lb/>
nach dem Ausspruch eines Heiligen, unsere<lb/>
Tugenden blo&#x017F;s schöne Sünden: so würde<lb/>
man ein Verbrechen an der Menschheit bege-<lb/>
hen, wenn man nicht auch dem Bösen und<lb/>
dem Ideal desselben, dem Teufel, Gerechtig-<lb/>
keit erweisen wollte. &#x2014; Wenn man ja, nach<lb/>
der ältesten Urkunde das menschliche Ge-<lb/>
schlecht betreffend, einem Theile dieses ersten<lb/>
Menschenpaares einen Vorzug vor dem andern<lb/>
beilegen wollte; so würde <hi rendition="#i">Eva</hi> den Zankapfel<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0037] dritten —! Schuf nicht eben die Schöpfer- hand, welche Adam geschaffen hatte, auch Eva? und gereichet diese Rippen-Hieroglyphe nicht in mehr als Einer Rücksicht zum Vor- zuge des Weibes? Keins erzog das andere; Keinem fiel es ein, sich über das andere zu erheben und Vaterrechte zu behaupten. — Elternrecht, das schönste und ehrwürdigste, das die Menschheit kennt, der Urquell der liebenswürdigsten Tugenden, hat (wer sollt’ es denken!) die Ungleichheit unter den Menschen erzeugt. Gute Eltern, solch eine ungerathene, ausgeartete Tochter! Sind indeſs viele Laster nichts anders als ungezogene Tugenden; sind, nach dem Ausspruch eines Heiligen, unsere Tugenden bloſs schöne Sünden: so würde man ein Verbrechen an der Menschheit bege- hen, wenn man nicht auch dem Bösen und dem Ideal desselben, dem Teufel, Gerechtig- keit erweisen wollte. — Wenn man ja, nach der ältesten Urkunde das menschliche Ge- schlecht betreffend, einem Theile dieses ersten Menschenpaares einen Vorzug vor dem andern beilegen wollte; so würde Eva den Zankapfel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/37
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/37>, abgerufen am 03.12.2024.